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"Man kommt nicht um die Tatsache herum: Ende der zivil-ökomomischen Sanktionen bedeutet auch die Aufnahme von Kontakten zum Baath-Regime
Stefan Gose, antimilitarismus information, 9.5.2001
Antwort auf die Erklärung von Wolfgang Gehrcke,MdB, PDS

Lieber Wolfgang Gehrke,

ich kann Ihr Statement zur Aufhebung aller nicht-militärischen Sanktionen soweit unterschreiben, wie Sie mit Beibehalt eines militärischen Embargos militärische Lieferungen, sprich ein Verbot von Waffenexporten und -Komponenten an den Irak meinen. Doch es gibt weitere militärische Sanktionen gegen den Irak, nämlich die völkerrechtswidigen "Flugverbotszonen", in denen GB und USA eigenmächtig irakische Ziele bombardieren sowie die regelmäßigen türkischen Invasionen im Nordirak. Dieses Faustrecht muß m.E. ein Ende haben.
Im Kern drücken Sie sich m.E. aber um die Gretchenfrage: Wie halte ich's mit Saddam Hussein und seinem Apparat? Wer eine Aufhebung der nicht-militärischen Sanktionen fordert, mag dies deklaratorisch "immer mit einer scharfen Absage an Saddam Hussein koppeln." In der Praxis komme ich aber nicht um die Tatsache herum, daß ein Ende der zivil-ökomomischen Sanktionen auch die Aufnahme von Kontakten zum Baath-Regime bedeutet. Oder wollen Sie etwa mit irakischen Exiloppositionellen Öl-Kontrakte unterzeichnen? Dies ist doch der Punkt, gegen den Hans Branscheidt zwar leider denunziatorisch, aber letztlich vehement streitet. Sich in der Irak-Debatte zu Positionieren ist eine Abwägung, bei der die eigenen Finger in jedem Fall schmutzig werden. Deshalb hier bitte auch couragierten Klartext.
"Die Aufhebung aller nicht militärischen Sanktionen muss zugleich das Ziel haben, das Herrschaftssystem Husseins zu destabilisieren," schreiben Sie. Moralisch mögen Sie da manchem aus dem Herzen sprechen. Als Abgeordneter sollten Sie aber wissen, daß Sie sich mit der "Destabilisierung" einer fremden Administration nicht nur in zweifelhafte Gesellschaft begeben. Juristisch ist dieses Vorhaben schlicht ein krimineller Völkerrechtsbruch, der nicht mit der Brutalität des Hussein-Regimes zu rechtfertigen ist. Ich denke, alle Diskutanten in der Irak-Kontroverse wünschen sich ein Ende des Hussein-Regimes - aber m.E. dürfen die Mittel dahin nicht ihrerseits rechtswidrig sein. Deshalb mein Plädoyer für ein Ende der Sanktionen und gleichzeitig eine korrekte Anklage der irakischen Führungsriege in Den Haag, Straßburg oder vor einem UN-Tribunal. Damit wäre das Baath-Regime zwar nicht entmachtet, ich erhoffe mir von einem solchen Urteilsspruch aber ein internationales Signal, das abwägende Auswirkungen auf Umfang, Sektoren und Kooperationspartner im künftigen politischen, ökonomischen und kulturellen Kontakt mit dem Irak hat.
Bisher sieht das Völkerrecht einfach noch nicht vor, daß ein menschenverachtendes Regime durch internationalen Urteilsspruch abgesetzt und ggf. mit einer militärischen Exekutive zum Machtverzicht gezwungen wird. Der UN-Sicherheitsrat kann zwar unter bestimmten Voraussetzungen eine militärische Intervention/Krieg autorisieren, doch diesen fragwürdigen "Rechtsweg" gilt es einzuhalten, wenn man sich nicht selbst diskreditieren will. Auch hier bitte couragierten Klartext.
Politik bedeutet interessengeleitete Auseinandersetzung, zwangsläufig mit jenen, deren Position man nicht teilt. Diese Auseinandersetzung zu verweigern oder gewaltsam die eigenen Interessen durchsetzen zu wollen, ist keine Politik mehr, sondern Erpressung oder gar Krieg.
Nochmal, es bringt keine schmeichelhafte PR (und Branscheidt mag jeden dafür geißeln), aber Aufgabe von Politikern ist die Mediation, also sich gerade auch mit unangenehmen Zeitgenossen zivil und kritisch auseinanderzusetzen, statt sie als Unpersonen zu ignorieren. Wollte man selbstgefällige Boykotte zu Politik erklären, könnte die Bundesrepublik 2/3 ihrer Botschaften in fragwürdig regierten Ländern schließen und hätte damit niemandem geholfen.
Also bitte Klartext wie Sie glauben, Saddam Hussein schwächen zu können, ohne ihn zu berühren.

Freundliche Grüße
Stefan Gose
antimilitarismus information.