Brief an Kofi Annan

Eine friedliche Lösung ist möglich!

In diesem Brief von Prof. Ulrich Gottstein, IPPNW, und Hans-C. Graf Sponeck, ehem. UN-Humanitärer Koordinator für Irak, wird von UN-Generalsekretär Kofi Annan und deutscher Regierung gefordert, den Irak-Konflikt mit diplomatischen Mitteln zu lösen.

Sehr verehrter Herr Generalsekretär,

wir schreiben Ihnen aus großer Sorge wegen der drohenden militärischen Konfrontation zwischen den USA und Irak.

Seit mehr als zwei Dekaden wird das irakische Volk für etwas bestraft, das es nicht getan hat. Ohne Zweifel würde es jetzt wieder das hauptsächliche Leidensopfer sein, wenn erneut ein Krieg ausbräche. Internationale Untersuchungen scheinen genaue Kenntnis davon zu haben, dass Irak weder an den internationalen Terroraktivitäten beteiligt war, noch eine Bedrohung für die Nachbarstaaten darstellt. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Irak nach dem Dezember 1998 Massenvernichtungswaffen entwickelt hat.

Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass in dieser kritischen Zeit Ihre Aufforderung zu Dialog zwischen dem UN-Sicherheitsrat und der Regierung von Irak eine entscheidende Änderung herbeiführen würde, um die sich verschlimmernde Krise zu lösen. Unsere Kontakte mit russischen und irakischen Autoritäten lassen uns glauben, dass ein erfolgreicher Dialog über alle anstehenden Probleme möglich ist, falls solch ein Treffen die Zustimmung der US-Regierung findet. Es gibt friedliche Lösungsmöglichkeiten bezüglich der Rückkehr der Waffeninspektoren.

Die Meinungen von führenden Persönlichkeiten in Europa und im Vorderen Orient, inklusive Bundeskanzler Schröder und der Präsidenten von Ägypten und Syrien sowie von Prinz Turki ibn Faisal, die davor warnen, den Krieg gegen Terrorismus in den Irak zu tragen, dürfen nicht ungehört bleiben. Desgleichen die Warnungen von innerhalb Iraks von den Führern Irakisch Kurdistans, Barzani und Talabani, sowie Vertretern des irakischen medizinischen Berufes.

Wir kennen Ihr tiefes Engagement, Exzellenz, für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenrechte, und deshalb schaut das Internationale Gewissen auf Sie als eine moralische Autorität und entscheidende Persönlichkeit. Ihre Aussagen in Oslo, als Sie den Friedensnobelpreis entgegen nahmen, ermutigt uns zudem, dass nur Sie die Fähigkeit haben, die US-Autoritäten zu bitten, die gravierenden Konsequenzen eines unberechtigten Krieges gegen Irak zu erkennen.

Aus diesen Gründen unterstreichen wir noch einmal die Dringlichkeit von Konsultationen zwischen dem UN-Generalsekretär, dem UN-Sicherheitsrat und der Regierung von Irak. Der russische Vertragsentwurf von Mitte 2001 gewährt einen Ausgangspunkt, denn er schlägt einen Kompromiss vor: Die Waffeninspektoren kehren in den Irak zurück, wie von der US-Administration gefordert, und die Sanktionen werden nach 60 Tagen aufgehoben, wie von den irakischen Behörden gefordert.

Eine friedliche Lösung der schweren Krise ist möglich, die Chance muss genutzt werden.

Mit Hochachtung

Prof.Dr.med.Ulrich Gottstein, Vizepräsident em. der IPPNW
Hans-C.Graf Sponeck, UN-Humanitärer Koordinator für Irak em.