"Die Irak-Sanktionen sind vefehlt" - der frühere UN- Diplomat Hans von Sponeck

FAZ-Net vom 24.2.2001

Interview

Wer verletzt irakischen Luftraum?“

24. Feb. 2001 Hans Graf von Sponeck, war von September 1998 bis zum März 2000 Leiter der humanitären UN-Hilfe im Irak und leitete dort unter anderem das Programm „Öl-für Nahrugsmittel“. Schon bald nach seinem Amtsantritt zog sich von Sponeck den Zorn der Regierungen der USA und Großbritanniens zu, da seine Leute immer wieder das Leiden der Menschen und die Folgen dauernder Bombenangriffe der Alliierten fotografisch dokumentierten und an Sicherheitsrat sandten. Er überschreite sein Mandat, wurde von Sponeck von amerikanischer Seite bescheinigt. Mehrfach verlangten  Amerikaner und Briten seine Ablösung. Der Deutsche wurde jedoch immer wieder von UN-Generalsekretär Kofi Annan gestützt. Vor einem Jahr trat von Sponeck aus Protest gegen die Sanktionen vin seinem Mandat zurück. Seither lebt der 61-jährige im Ruhestand.Von Sponeck, der einer badischen Grafenfamilie angehört, wurde im Alter von fünf Jahren Halbwaise. Sein Vater, ein Truppenführer der Wehrmacht, hatte Hitlers Befehl, eine aussichtlose Stellung auf der Krim zu halten missachtet und seine Kompanie in Sicherheit gebracht. Dafür wurde er 1944 hingerichtet. Hans von Sponeck war einer der ersten Kriegsdienstverweigerer der Bundesrepublik sowie einer der ersten Deutschen im Dienst der Vereinten Nationen. Dort arbeitete er 30 Jahre lang für das Entwicklungsprogramm UNDP (United Nations Development Programme) in Ghana, Pakistan, Botswana, Indien und der Türkei.

Herr von Sponeck, warum lässt George Bush den Irak bombardieren?

Ich bin der Überzeugung, dass das nicht langfristig geplant war. Die Luftwaffe hatte gemerkt, das die Iraker ihre Abwehkapazitäten erhöht hatten und hat dann darum gebeten, intensiver vorgehen zu dürfen, als das bei diesem stillen Krieg sowieso der Fall gewesen ist. Die politische Führung in Washington hat das zugestanden. Das wird auch dadurch deutlich, dass man keinen schlechteren Termin für die Bombardierung hätte wählen können. Es begann kurz vor der Reise des amerikanischen Außenministers Powell in den Nahen Osten sowie des irakischen Außenministers al-Sahaf nach New York zu Kofi Annan. Diese Reise war mit dem amerikanischen Außenminister zuvor abgesprochen worden. Das sieht nicht nach einer geplanten Geschichte aus.

Außenminister Fischer hat, anders als das Außenministerium Frankreichs beispielsweise, Verständnis für die jüngsten Angriffe auf den Irak zum Ausdruck gebracht. Welches Bild von den Deutschen hat man im Irak und der Nashostregion?

Ich kann nur sagen, dass die Enttäuschung über die deutsche Haltung im Nahen Osten enorm ist. Wie oft wurde mir gesagt: „Wir haben so viel mehr erwartet.“

Was zum Beispiel?

Zum Beispiel, dass Deutschland zeigt, dass es besorgt ist, über die humanitäre und die völkerrechtliche Entwicklung. Zum Beispiel über das Procedere im Sicherheitsrat, wo die meisten Sitzungen zum Irak mittlerweile „informell“ und nicht mehr öffentlich sind, sodass der Irak kaum eine Chance hat, noch für sich selbst zu sprechen und zu reagieren. Von Deutschland erwartet man da, dass es sich darüber besorgt zeigt und sich nicht versteckt.

Welche Rolle sollte Deutschland denn im eigenen Interesse spielen?

Aufgrund der Erkenntnisse müsste es für die Deutschen keineswegs beschämend sein zu sagen: So kann es nicht weitergehen. Wo bleibt die berühmte deutsch-französische Freundschaft? Die müsste sich darin übersetzen, dass man die französische Regierung in der sehr viel mutigeren Irak-Politik unterstützt und nicht immer versucht, es allen recht zu machen. Politische Anerkennung kommt erst dann, wenn wir auch den Mut haben, unsere Meinung wiederzugeben.

Befürchten die USA langsam, die Unterstützung für die Sanktionen zu verlieren?

Die Frage ist, ob sie sie noch haben. Es gibt Unterstützung von den Engländern und sehr latent von andern europäischen Nato-Mitgliedern. Eine sehr starke Unterstützung der verfehlten Sanktions-Politik sehe ich nach zehn Jahren aber nicht.

Die Amerikaner sagen, es hätte in den zurückliegenden Wochen eine Serie von Verletzungen der Flugverbotszone gegeben. Provoziert Saddam die Alliierten, um seinerseits Solidaritätsdruck zu erzeugen?

Die richtige Frage lautet glaube ich: „Wer verletzt  irakischen Luftraum?“ Es sind doch die Amerikaner und die Engländer, die ohne Mandat und ohne UNO-Resolution diese Flugverbotszonen eingerichtet haben. Nun wird davon gesprochen, dass die Iraker sie in ihrem eigenen Land verletzen. Diese Logik kann ich nicht ganz nachvollziehen.

Heißt das, Sie fordern die Aufhebung der Flugverbotszone?

Im Norden war die Flugverbotszone sicher psychologisch von Wert. Das gilt auch für den Süden, solange es da ohne Angriffe voran ging. Aber seit 1998 nach den vier Nächten massiver Bombenangriffe auf Bagdad und den ganzen Irak...

...die Sie ja selbst mitbekommen haben...

die ich sehr wohl mitbekommen habe, sind die Piloten sehr viel freizügiger geworden. Ich habe einen Bericht des Verteidigungsausschusses des englischen Unterhauses gelesen, indem es heißt, dass diese Flugverbotszonen nicht nur völkerrechtlich inkorrekt sind sondern auch unmoralisch.

Will das amerikanische Militär nun möglicherweise ein Zeichen setzen, dass die Zeit der „Schonung“ vorbei ist?

Ich glaube, das ist der Grund, weshalb der amerikanische Präsident dem Vorschlag seiner Militärs zugestimmt hat. Er wollte ein hartes Zeichen setzen. Er wollte zeigen, dass er in Bezug auf den Irak nicht kompromissbereit ist. Die Frage bleibt trotzdem, ob das völkerrechtlich gerechtfertigt ist und die Antwort ist ein deutliches Nein.

Großbritannien hat gerade wieder vorgeschlagen, die Sanktionen intelligenter zu gestalten, sodass es eine stärkere Waffenkontrolle und weniger zivile Opfer gibt. Ist das realistisch?

Es kommt spät, aber die Überlegung, von der ich schon im November 1999 ausgegangen bin, nämlich die Wirtschaftssanktionen von der Diskussion über Entwaffnung abzuspalten, die muss man weiterverfolgen. Die sogenannten intelligenten Sanktionen könnten heute noch einen Wert haben, wenn sie sich auf die Kontrolle der Waffen beziehen, die ins Land kommen. Dass man also an den Grenzen genau feststellt, was kommt da über Jordanien, über die Türkei, über Syrien oder manchmal auch über den Golf ins Land.

Text: Das Gespräch führte Christian Kreutzer am 22.2.2001 in Heidelberg
Bildmaterial: dpa
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