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Joachim Guilliard
Zeichen auf Sturm in Nah-Ost II

Das folgende sind Ergänzungen zum ak-Artikel Zeichen auf Sturm in Nahost vom 11. Februar 2002

Die endgültige Entscheidung für einen Krieg gegen den Irak ist nach Medienberichten Ende Januar bei einem zentralen Treffen von Bushs Kriegskabinett gefallen, das heißt unmittelbar vor Bushs Rede zur Lage der Nation.(1) Dem Kriegskabinett gehört neben Vizepräsident Cheney, Verteidigungsminister Rumsfeld, der nationalen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice und CIA-Chef George Tenet auch der Außenminister Colin Powell an. Dieser galt bis dahin als die Stimme innerhalb der Bush-Regierung, die zur Besonnenheit mahnt und aus Rücksicht auf die Verbündeten im arabischen und muslimischen Bereich einen Angriff auf den Irak zum gegenwärtigen Zeitpunkt ablehnen würde.

Wenn man sich auch über das Ziel, den Sturz der Baath-Regierung nun einig wurde, herrscht noch keine Einigkeit über das konkrete Vorgehen. Während Colin Powell und das Außenministerium, sich vor allem auf oppositionelle Elemente innerhalb der irakischen Armee stützen möchte, setzt das Pentagon lieber auf die eigene militärische Stärke.

Eine große Zahl ehemaliger irakischer Offiziere war in den vergangen Monaten nach Washington eingeladen worden, um mögliche Optionen zum Sturz Saddam Husseins zu erörtern. Die Treffen haben gemäß "Salon.com" unter Führung des Middle East Institute statt gefunden, das dem Außenministerium nahe steht. Unter den Offizieren die sich zu den Besprechungen einfanden war auch Najib Al-Salihi, ein früherer Oberbefehlshaber der Republikanischen Garden, und der ehemalige Brigadegeneral Fawzi Al-Shamary, der als einflußreiche Person innerhalb der sunnitischen Mittelschicht gilt. (2)

Colin Powell, sein State Department und das CIA scheinen offenbar, so sieht dies auch "Stratfor", auf einen Putsch innerhalb der Armee gegen Saddam Hussein, der durch Luftangriffe der USA und Aktionen von US-Spezialeinheiten provoziert werden könnte. Ein solcher begrenzter Krieg könne problemlos auch ohne Saudi Arabien und die anderen arabische Alliierten geführt werden und würde, so die Hoffnung der Außenpolitiker, auch den außenpolitischen Schaden in der Region in Grenzen halten. (3)

Das Pentagon dagegen setzt formal auf die im "Irakischen National Kongress" INC zusammengeschlossenen Oppositionsgruppen, obwohl weithin bekannt ist, dass die Aktivisten dieses illustren Vereins, die reichlichen US-amerikanischen Zuwendungen bisher vorwiegend für noble Konferenzsäle oder privat verwendet haben. Weit davon entfernt, den oppositionellen irakischen Kräften einen erfolgreichen Aufstand zuzutrauen oder die Fähigkeit den Irak anschließend zu regieren, planen die Strategen aus dem Verteidigungsministerium einen eher konventionellen Feldzug mit einer entsprechend großen Streitmacht, obwohl ein solcher Krieg die Beziehungen der USA zu den Staaten der Region immens belasten würde. Als Vorwand könnte, so "Stratfor" die Unterstützung einer vom INC initiierten "Revolution" dienen.

Die beiden unterschiedlichen Ansätze weisen auch auf verschiedene Zielsetzungen hin, die über die Beseitigung des Baath-Regimes hinausgehen. Durch einen erfolgreichen Militärputsch und die Etablierung einer US-gestützten Militärregierung unter Führung eines geachteten Offiziers könnte, so hofft die Fraktion um Powell, ein Wechsel zu einem pro-amerikanischen Regime durchgesetzt werden, ohne den Irak außenpolitisch und militärisch entscheidend zu schwächen oder gar die territoriale Integrität zu gefährden. Der Irak könnte dadurch auch weiterhin das natürliche Gegengewicht zum Iran bleiben. (4)

Die Hardliner des Pentagon sehen aber beim Erhalt eines innerlich gefestigten Iraks auch nach der Machtübernahme durch pro-amerikanischen Kräfte die Gefahr, dass diese sich im Laufe der Zeit doch wieder zu eigenständig gebärden könnte. Eine Gefahr die bei der Einsetzung eines auf den INC gestützten Regimes nach einer US-amerikanischen Besetzung des Landes ausgeschlossen werden kann. Da der INC über keinen nennenswerten Rückhalt im Land verfügt (im Gegenteil wohl eher als Handlanger des Feindes angesehen werden), wäre er auch in der Zukunft auf die militärische Präsenz der USA angewiesen. Den Einfluß des Iran kann nach Ansicht der Falken auch durch direkte Konfrontation – von härteren Sanktionen bis zu Militärschlägen – eingedämmt werden, nicht umsonst wurde ja der Iran in die »Achse des Bösen« einbezogen.

Die Informationen über konkrete Kriegsvorbereitungen sprechen dafür, dass sich die Line des Pentagon durchsetzen wird. Auch dem Guardian (14.2) liegen Informationen vor nach denen das Pentagon mit den Vorbereitungen für einen Angriff noch im laufenden Jahr begonnen hat – hier wird schon von bis zu 200.000 Boden-Truppen ausgegangen, und dem Einmarsch der Hauptstreitmacht aus Kuwait.

Ein weiteres Indiz ist auch, dass Dick Cheney im März eine Rundreise im Nahen Osten durchführt und für die Unterstützung ihrer Pläne wirbt und nicht der eigentlich zuständige Außenminister.

Einige Beobachter vermuten, dass der Krieg gegen den Irak schon bald nach dem nächsten Termin des UN-Sicherheitsrates im Mai beginnen könnte, bei dem die Fortsetzung der Sanktionen auf der Tagesordnung stehen. Andere wie die Washington Post und die International Harald Tribune gehen von einem längeren Vorbereitungszeitraum aus. Demnach würde es in den nächsten fünf oder mehr Monaten um die Durchsetzung von strenger kontrollierten, aber "intelligenteren" Sanktionen gehen. Zentral wird die ultimative Forderung an den Irak sein, bedingungslos den Zugang von Waffenkontrolleuren zu gestatten. Aber auch wenn der Irak unter dem massiven Druck einwilligen würde, so wäre es nur eine Frage der Zeit, bis Behinderung von Kontrollen einen Casus belli schaffen würden.

Parallel würden die Kriegsvorbereitungen weitergehen, zudem auch die Vorbereitungen für verdeckte Operationen, wie die entsprechende Ausbildung kurdischer Kämpfer.(5)

Weltweit mehren sich die Stimmen die die US-amerikanischen Kriegsabsichten verurteilen, am Wochenende gab es beispielsweise wieder explizite Warnungen aus Syrien, den arabischen Emiraten und dem Jemen. Auch bei den nächsten Verbündeten wächst die Einsicht in den Charakter der US-amerikanischen Kriegspolitik. Der Krieg der USA sei ein Krieg gegen alle "missliebigen Regime", schreibt z.B. der britische Guardian, "ein Krieg um die US-Hegemonie zu verstärken. ... Was sie [Irak, Iran, Nordkorea] gemein haben ist natürlich, dass sie alle lange Zeit sich der US-amerikanischen Macht in ihren Regionen entgegengestellt haben ... und eines Tages, die Waffen sich verschaffen könnten, deren Besitz die USA ihren Freunden und Vasallen vorbehalten wollen." ("Can the US be defeated?", Guardian, 14.2.02).

Aktive Unterstützung hat der Irak allerdings kaum zu erwarten. So ist Russland beispielsweise nach Bush’s Rede deutlich auf Distanz gegeben, wie Iraks stellvertretender Premierminister Tariq Aziz persönlich erleben musste: War ihm bei seinem ersten Besuch vom 25. bis 27. Januar noch vom russischen Außenminister Igor Ivanov persönlich versichert worden, dass Russland sich massiv gegen US-Militäraktionen stellen und für die Aufhebung der Sanktionen einsetzen werde , so wurde er bei einem weiteren Besuch 10 Tage später von Ivanov nicht mehr empfangen.(6) Auch China zieht es nach den Worten seines Staatschef Jiang vor "mit dem Wolf zu tanzen", wie der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.

So wenig wie Russland und China, werden es sich auch die arabischen Nachbarländer mit der wildgewordenen Supermacht verscherzen wollen. Alle üben stattdessen verstärkten Druck auf Bagdad aus, die UN-Waffeninspektoren wieder ins Land zu lassen, um das schlimmste noch verhüten zu können.

Dabei hat der Irak gute Gründe, keine neue UN-Kommission ohne zusätzliche Vereinbarungen ins Land zu lassen. Nach wie vor fehlt es an klaren Kriterien, ab wann deren Mission als erfolgreich abgeschlossen gelten würde und die Sanktionen aufgehoben werden können und die USA bestehen darauf, dass ein großer Teil der Inspektoren aus den USA und Großbritannien selbst kommen soll.

Der Irak sieht auch bei der Zulassung erneuter Kontrollen keine Chancen auf ein Ende der Sanktionen, solange die USA auf dem praktisch unmöglich zu erbringenden Nachweis einer hundertprozentigen Entwaffnung beharren.

Dass ein Nachgeben Bagdads den Krieg verhindern könnte, ist zudem angesichts der konkreten Kriegsvorbereitungen sehr zweifelhaft. Eher ist damit zu rechnen, dass die USA sich wie 1998 mit Desinformationen und gezielten Provokationen den Vorwand zum militärischen Angriff schaffen (7)– wofür ein Teil der Inspektoren wie gehabt, dann zuvor Zielkoordinaten und andere nützliche Informationen geliefert hätten.

Joachim Guilliard,

Heidelberg, 22. Februar 2002

Anmerkungen:

  1. US big guns silent on 'regime change', Guardian, 13.2.2002
  2. Searching for Saddam's replacement Salon.com, 13.12.2001
  3. The Iraq Problem: U.S. Foreign Policy in the Balance” (Stratfor, 14.2.2002)
  4. ebd.
  5. U.S. is weighing options on how to oust Saddam, IHT, 13.2.2002
  6. Iraq Losing Allies in Face of U.S. Threats, Stratfor, 11 February 2002
  7. "If we put smart sanctions in place in May, then it gets harder for Iraq to make the case that it should not allow weapons inspectors," a senior official said. "But we know that it is only matter of time before the weapons inspections get stopped and we have yet another bit of proof that Saddam will never give up." (White House reportedly near decision on plan to oust Saddam, IHT 14.2.2002