Kurdenführer aus Irak berieten am Wochenende Post-Saddam-Ära.

BRD-Außenministerium bestätigt Besuch


Rüdiger Göbel, junge Welt vom 23.04.2002
 
Die Führer der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) und der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP), Dschalal Talabani und Massud Barsani, wollten sich am Wochenende in Deutschland in aller Stille zu Beratungen über den drohenden US-Krieg gegen Irak treffen. Pech, der geheime Kriegerrat flog auf. Ein Fotograf der türkischen Zeitung Hürriyet hatte ein Foto von Talabani vor dem Flughafenhotel Steigenberger in Frankfurt am Main geschossen. Der kurdische Klanchef soll gerade von einem Treffen mit US-Vertretern in Berlin zurückgekommen sein. Die arabische Zeitung Al Sharq Al-Awsat hatte am Sonntag unter Berufung auf irakische Kurden berichtet, daß die Parteiführer mit US-Unterhändlern »bei Berlin« zusammengekommen seien. Dem Blatt zufolge sollen essentielle Absprachen über die drohende US-Intervention im Irak getroffen worden sein. Weiter heißt es, bei dem Treffen hätten entscheidende Fragen, die einer Kriegszustimmung der kurdischen Seite gegenüber Washington im Wege gestanden hätten, »befriedigend« beantwortet werden können. Die Zeitung berichtet darüber hinaus, im Norden Iraks würden bereits drei Flughäfen als Luftwaffenstützpunkte »entwickelt«. PUK und KDP kontrollieren weite Teile dieser Region.

Das Auswärtige Amt bestätigte am Montag den Aufenthalt der kurdischen Spitzenpolitiker in Deutschland. Ein Außenamtssprecher sagte in Berlin, es sei »kein ungewöhnlicher Vorgang«, daß die »genannten Personen« sich in Deutschland aufgehalten hätten. Zum Inhalt der Gespräche gab es keinen Kommentar.

Hans Branscheidt, in Deutschland zuständig für die prokurdische Lobbyarbeit, bestätigte am Montag das Kurdentreffen, dementierte aber, daß es eine Zusammenkunft mit US-Vertretern gegeben habe. Unter Berufung auf PUK-Chef Talabani ließ er wissen, »es habe weder in Berlin noch anderswo in der BRD eine Begegnung mit den USA gegeben«. Vielmehr sei Talabani »auf der Durchreise nach London zu einer Verabredung mit dem ebenfalls international reisenden Masud Barzani (KDP) zusammengetroffen«. Das Gespräch habe der »Abstimmung von politischen und anderen Fragen der Beziehungen zwischen den beiden führenden kurdischen Parteien im Nordirak gegolten«. Die Öffentlichkeit sei durch die Berichte in Hürriyet und Al Shark Al-Awsat »irregeführt« worden.

Weiter erklärte Kurdenlobbyist Branscheidt unter Berufung auf Talabani, »daß mit einem eingreifenden Handeln der Amerikaner gegen Saddam noch in diesem Jahr verbindlich zu rechnen sei«. Einen Zeitpunkt wollte er aber nicht nennen. Man könne »seitens der Opposition durchaus auf eine großangelegte Invasion durch amerikanische Bodentruppen verzichten. Das Wichtigste an allen debattierten politischen Initiativen von außen und Interventionsplanungen sei die demokratische Perspektive, das Resultat eines erneuerten Irak in freiheitlicher Dimension«, so Branscheidt.

PUK-Chef Talabani rief schließlich die Bundesregierung und EU zu einem »größeren Engagement« auf. Gerade auch die deutsche Politik, »die am Ende die amerikanischen Maßnahmen sicher begrüßen dürfte«, sei in ihrem eigenen Interesse wohlberaten, sich bereits heute schon auf die Situation der »Post-Saddam-Ära« vorzubereiten.

 
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