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02.08.2001

Pentagon in Sorge
USA fürchten Verbesserung irakischer Luftabwehr. Militäroperation geplant

»Irak wird zunehmend aggressiver bei seinen Versuchen, Kampfflugzeuge der (anglo-amerikanischen) Koalition abzuschießen«. Das erklärte der Sprecher des US- Verteidigungsministeriums, Rear Admiral Craig Quigley, am Dienstag. Zugleich berichtete Jim Garamone vom »American Forces Press Service«, daß im Vergleich zum Vorjahr das irakische Abwehrfeuer »sehr stark« zugenommen hat. Demnach hatte es letztes Jahr in der südlichen, von den USA und Großbritannien völkerrechtswidrig verhängten sogenannten Flugverbotszone lediglich - so der O-Ton aus dem Pentagon - »221 irakische Provokationen« gegeben, während es in den ersten sieben Monaten diesen Jahres schon 370 »solcher Provokationen« gegeben habe. »Im Gebiet der >Northern Watch area< (nördliche Flugverbotszone - d. A.) hat es 145 Provokationen im Jahre 2000 und 62 in diesem Jahr gegeben«, berichtet der Pressedienst des Pentagon.

Als »Provokation« definierte US-Admiral Quigley nicht nur das irakische Abwehrfeuer mit Geschützen und Raketen, sondern für die US-Amerikaner ist es bereits eine Provokation, wenn die Iraker »ihr Radar anschalten« und damit eines jener amerikanischen Flugzeuge erfassen, die völkerrechtlich gesehen die territoriale Hoheit des Staates Irak mißachten. Besonders empört schien der Pentagon- Sprecher darüber, daß »Saddam Hussein jedem Schützen, der ein Koalitionsflugzeug abschießt, eine große Belohnung versprochen hat«. Deshalb würden die Iraker »immer kühner«. Sogar eines der famosen und legendenumwobenen U-2-Spionageflugzeuge hätten sie letzte Woche fast vom Himmel geholt, gab nun auch der Pentagonsprecher zu.

Letzte Woche hatte die New York Times gemeldet, daß eine irakische Boden-Luft-Rakete die U-2 auf ihrem Flug in 20 000 Meter Höhe über dem Irak nur knapp verfehlt hatte. Dabei sei die irakische Rakete so nahe bei dem Flugzeug explodiert, daß das amerikanische Flugzeug von den Explosionsturbulenzen durchgeschüttelt wurde. Nach Informationen eines hohen Pentagonbeamten habe Irak zwar keine neuen Raketen in seinem Arsenal, dafür sei es aber gelungen, seine bereits existierende Technologie zu verbessern und effektiver einzusetzen. Der U-2- Vorfall zeige, daß es für die amerikanischen Piloten über dem Irak immer gefährlicher würde.

Aber die USA wollen sich nach Worten von Quigley trotzdem auch weiterhin »das Recht vorbehalten, jeder Zeit und an jedem Ort (im Irak) Ziele ihrer Wahl anzugreifen«. Dazu gehören auch großangelegte Operationen von der Art, wie sie der private amerikanische Nachrichtendienst »Stratfor« laut seiner jüngsten Lageanalyse schon bald erwartet. Für die Öffentlichkeit soll der bevorstehende amerikanische Angriff, der den irakischen Streitkräften empfindliche Verluste zufügen soll, als Bestrafung für die irakischen Versuche, anglo-amerikanische Kriegsflugzeuge abzuschießen, dargestellt werden. Dies würde jedoch - so Stratfor - lediglich als ein Vorwand für den eigentlichen Hintergrund der Aktion dienen - nämlich die Sorgen der US-Regierung, daß das irakische Militär wieder an Stärke gewinnt.

Bereits im Februar hatte das Pentagon einen größeren Luftangriff zur Neutralisierung der irakischen Luftabwehr durchgeführt, der jedoch wegen angeblicher Blindgänger und Fehlfunktionen des Führungssystems der ferngesteuerten US-Waffen außer etlichen toten irakischen Zivilisten keinen »Erfolg« brachte. Auch die nun erwartete große amerikanische Luftoperation gegen die irakische Armee wird bereits jetzt skeptisch betrachtet: »Eine solche Operation wird weder das politische Kräfteverhältnis im Irak verändern, noch das aktuelle Regime stürzen«, schreibt Stratfor in seiner Lageanalyse.

Rainer Rupp

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