Massaker in Faludscha

Mindestens 15 Iraker bei Protesten gegen US-Besatzungstruppen erschossen. USA verstärken Einheiten

Rüdiger Göbel, junge Welt vom 30.04.2003
 
US-Soldaten haben im Irak mindestens 15 Kritiker ihres Besatzungsregimes erschossen. Weitere 75 Personen sind bei dem Angriff der Besatzungstruppen verletzt worden, berichtete der Korrespondent des arabischen Fernsehsenders Al Dschasira am Dienstag. Das Massaker ereignete sich in der rund 50 Kilometer westlich von Bagdad gelegenen Stadt Faludscha am Montag abend. Mehrere hundert Menschen protestierten dort gegen das Besatzungsregime, als die US-Soldaten das Feuer auf die Demonstranten eröffneten.

Die Besatzungstruppen waren offensichtlich erst am Wochenende in Faludscha eingerückt und hatten dort eine Schule besetzt. Nicht einverstanden mit dem neuen Regime, zog am Montag eine Gruppe von etwa 200 Irakern nach dem Abendgebet in einer Moschee zu der Schule und forderte die US-Soldaten auf, das Gebäude wieder zu räumen und die Stadt zu verlassen. Daraufhin feuerten die Soldaten in die Menge. Dies berichtete Al Dschasira unter Berufung auf Augenzeugen. Aus der Menge heraus sei zuvor ein Stein auf die Soldaten geworfen worden.

Die US-Besatzungstruppen stellten am Dienstag das Massaker als Akt der Selbstverteidigung dar. Die Soldaten seien aus der Menge beschossen worden. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte indes einen sunnitischen Geistlichen aus Faludscha. Dieser bestätigte die Darstellung von Al Dschasira: Unbewaffnete Demonstranten hätten vor der von US-Truppen besetzten Schule protestiert, als die Soldaten ohne Vorwarnung in die Menge feuerten. Auch in der nordirakischen Stadt Mosul sind laut Al Dschasira am Montag abend sechs Iraker von den Besatzungstruppen erschossen worden.

US-Präsident George W. Bush bekräftigte am Montag derweil die dauerhafte amerikanische Präsenz am Golf. Für die Besatzungsherrschaft in dem ölreichen Land fand er wie immer euphemistische Worte: Die USA wollen der irakischen Bevölkerung künftig als »beständiger Freund« zur Seite stehen.

Am 1. Mai will der US-Präsident das »Ende der Kampfphase« im Irak-Krieg verkünden. Ein Ende der Kämpfe ist dies offensichtlich nicht: Die US-Besatzungstruppen teilten am Dienstag die Verstärkung ihrer Präsenz im Irak mit. In den kommenden Tagen sollen zu den 12000 in Bagdad stationierten US-Soldaten bis zu 4000 Mann hinzukommen. Insgesamt sind im Irak nach US-Angaben 150000 Soldaten stationiert.

 
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