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Heidelberger Rundschau - 19.April 2001

Heidelberger Initiative gründet Partnerschaft mit irakischer Stadt Ninive-Mosul

Plädoyer für Freundschaft

Auf dem Rothe Foto (v. 1.) haben sich auf Einladung der Heidelberger Rundschau (entspannt, nach einem Arbeitsessen) zusammengefunden, eine Partnerschaft mit Ninive-Mosul auf den Weg zu bringen:
Prof. Raif Khouri vom Orientalistischen Seminar der Universität Heidelberg, Prof. Subhi AI-Zuhyri aus Bagdad, Dekan (kath.) Dr. Klaus von Zedtwitz, Hans Kratzert, Geschäftsführer Diakonisches Werk Heidelberg, Landesrabbiner Prof. Nathan Peter Levinson, Abbas Abdul Latif Dolmetscher Dekan (evang.) Dr. Steffen Bauer und HR-Redakteur Jürgen Gottschling.
Heidelberg hat Partnerschaften, die wir nicht missen möchten: Mit Cambridge, Montpellier Rehovot, Kumamoto, und sogar mit einer deutschen Stadt, nämlich Bautzen. Das ist alles schön und (meist auch) gut. Wenn denn aber eine Partnerschaft mehr sein soll, als bewährtes konservierend zu bewahren und zu pflegen, wenn Partnerschaft etwas bewirken und bewegen soll, dann jedenfalls muß überlegt werden dürfen: Wo kann eine Partnerschaft - und wie - neue Dimensionen erreichen, wo kann sie notwendige Freundschaft und Hilfe bringen.

Irak hat sich dem Tourismus geöffnet. Die Besucher sind überwältigt, kaum ein anderes Land empfängt Gäste mit solcher Liebenswürdigkeit und so viel Herzlichkeit..

Da möchte man nicht glauben, daß es noch gar nicht so lange her ist, daß das US-Außenministerium den Ausdruck "Schurkenstaat" für den Irak aus seinem diplomatischen Wortschatz gestrichen hat. An seine Stelle ist nun aber der Begriff "state of concern" getreten (besorgniserregender Staat), was nunmehr ein "flexibleres Vorgehen" gegenüber dem Irak gestattet. Das Embargo etwa (Interview Seite 3) gehört zu solchen Maßnahmen, mit welchen das Land traktiert wird. Irak als neues Reiseziel für Touristen - das ist in der Tat eine Mischung aus Mutprobe, Pioniergeist und altorientalischer Faszination. Die Initiative will nun aber den Heidelbergern weniger diese Faszination nahebringen, wenngleich natürlich das Zweistromland als biblisches Schinar, als "Wiege der Zivilisation" , als Heimat auch von Sintflut und Garten Eden durchaus mehr zu bieten hat, als Wüste und Ruinen: Vor 5000 Jahren wurde hier die - Keilschrift, der Karren und das Bier erfunden, Vater Terach und sein Stamm brachen vom chaldäischen Ur aus (Genesis 11 ff.) zur großen Reise ins gelobte Land Kanaan auf, heute besuchen Touristen die legendären Ruinenstädte Uruk, Babylon, Assur, Ninive und Nimrud. Derzeit sind lediglich Gruppenreisen in den Irak zugelassen, und der freundliche Tonrismus-Generaldirektor Rahim Karim Atta machte einem Kollegen gegenüber kein Geheimnis daraus, daß die Öffnung des Landes durchaus zum Ziel habe, die europäischen Sympathieträger für eine endgültige Aufhebung der verheerenden UN-Sanktionen zu nutzen. Das, muß sein dürfen und ist legitim. Die Mitglieder der Heidelberger Initiative haben sich (zwar) dezidiert dafür ausgesprochen und darauf geeinigt, daß mit dieser Städtepartnerschaft ausschließlich humanitäre und kulturelle Aufgaben angenommen werden sollen. Dennoch will die Rundschau als Initiator dieser angestrebten Partnerschaft mit Ninive-Mosul die Hintergründe nicht verschweigen, sondern in der hier gebotenen Kürze zumindest anreißen:

Partnerschaft in einem "rougue state" ?

Das Konzept des "Schurkenstaates" hat für die politische Analyse und die perspektivische Planung eine herausragende Rolle gespielt. Die Irak-Krise ist in dieser Hinsicht nur das bekannteste Beispiel. Washington und London haben den Irak zum "rogue state" erklärt, der für seine Nachbarn und die ganze Welt eine Bedrohung darstelle. Dieser "geächtete Staat", müsse entsprechend von den Hütern der neuen Weltordnung - den Vereinigten Staaten und deren Juniorpartner Großbritannien - in Schach gehalten werden. Über die Irak-Krise" wurde viel geredet, auch gab es Kontroversen darüber, was zu unternehmen sei.

Kontroverse Diskussion

Die Diskussion über die "Irak-Krise" bewegte sich in engen Grenzen, und die eigentlich selbstverständliche Antwort war von vornherein ausgeschlossen: daß nämlich die Vereinigten Staaten und Großbritannien in Übereinstimmung mit dem Gesetz und den internationalen Verträgen, die auch sie unterzeichneten, zu handeln haben. Diesen entsprechenden gesetzlichen Rahmen formuliert die Charta der Vereinten Nationen, ein "feierlicher Vertrag", der nicht nur als Grundlage des internationalen Rechts und der Weltordnung allgemein anerkannt ist, sondern auch von der Verfassung der USA als "das höchste Gesetz des Landes" gewürdigt wird. In der UN-Charta heißt es: "Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er gibt Empfehlungen ab oder beschließt, welche Maßnahmen aufgrund der Artikel 41 und 42 zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen."

Es gibt legitime Methoden, auf die vielfältige Bedrohung des Weltfriedens zu reagieren. Wenn sich die Nachbarn des Irak bedroht fühlten, so konnten sie vom UN-Sicherheitsrat fordern, geeignete Maßnahmen zur Abwehr der Bedrohung zu autorisieren. Dasselbe können die USA und Großbritannien tun, wenn sie sich bedroht fühlen. Aber kein Staat ist autorisiert, in einer solchen Angelegenheit allein zu entscheiden oder zu handeln. Auch die USA Lind Großbritannien bilden da keine Ausnahme. Bei einem der ersten irakisch-amerikanischen Konflikte wurde die Position der Vereinigten Staaten von der damaligen Außenministerin und späteren UN-Botschafterin Madeleine Albright unverblümt zum Ausdruck gebracht. Sie erklärte gegenüber dem UN-Sicherheitsrat, die USA würden "multilateral reagieren, wenn wir können, und unilateral, wenn wir müssen". Die Begründung lautete: "Wir erachten die gesamte Region des Nahen Ostens als lebenswichtig für die nationalen Interessen der USA", deshalb könne Washington keine äußeren Beschränkungen hinnehmen. Albright wiederholte diese Position, als UN-Generalsekretär Kofi Annan im Februar 1998 nach Bagdad reiste, um die Irak-Krise auf diplomatischem Wege zu entschärfen. Damals sagte sie: "Wir wünschen ihm alles Gute, und wenn er zurückkommt, werden wir sehen, was er mitgebracht hat und wie es mit unseren nationalen Interessen übereinstimmt.- Als Annan dann mitteilte, er habe ein Abkommen mit Saddam Hussein erzielt, kündigte Präsident Clinton an, wenn der Irak die Kriterien Washingtons nicht erfülle, "würde jedermann verstehen, daß dann die USA und hoffentlich alle unsere Verbündeten das einseitige Recht hätten, zu einer Zeit, an einem Ort und in einer Weise zu reagieren, die wir selbst bestimmen können".

Der UN-Sicherheitsrat hingegen begrüßte einstimmig das von Annan erzielte Abkommen und wies die Forderungen von Washington und London zurück, sie zum Einsatz von Gewaltmitteln zu autorisieren, falls sich Saddam nicht an das Abkommen halte. Die UN-Resolution drohte nur mit "sehr ernsten Konsequenzen", ohne sie jedoch näher zu spezifizieren. In dem entscheidenden letzten Absatz beschloß der Sicherheitsrat, "in Übereinstimmung mit den Verantwortlichkeiten nach der Charta, mit der Angelegenheit aktiv befaßt zu bleiben, um die Durchführung dieser Resolution zu garantieren und Frieden und Sicherheit in der Region zu gewährleisten". Befaßt bleiben sollte also der Sicherheitsrat, und niemand anderes - in Übereinstimmung mit der UN-Charta.

In Washington wurden diese eindeutig formulierten Texte völlig anders gelesen – die Welt ist Zeuge geworden - womit wir es bewenden lassen wollen. Auf daß die sich anbahnende Städtepartnerschaft nicht gefährdet werde.

Jürgen Gottschling