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Irak-Embargo

Flugziel Solidarität

50 europäische Abgeordnete reisen nach Bagdad, um auf die Folgen des Embargos aufmerksam zu machen

Andrea Nüsse, Tagesspiegel 28.09.2000

Auf dem internationalen Flughafen von Bagdad geht es dieser Tage fast zu wie im Taubenschlag. Zumindest im Vergleich zu den vergangenen zehn Jahren. Fast täglich landet hier ein Flugzeug aus dem Ausland - obwohl das Embargo nach wie vor in Kraft ist. Am Mittwoch ist eine jordanische Maschine mit Hilfsgütern eingetroffen. Es war die erste arabische Maschine, die in Bagdad landete. Etwas schneller war eine französische Privatinitiative: Am vergangenen Freitag flogen etwa 65 Ärzte, Sportler und Künstler von Paris nach Bagdad, an diesem Freitag ist ein weiterer Direktflug mit politischer Prominenz an Bord geplant. "Dieser zweite Flug hat einen explizit politischen Charakter", erklärt Subi Toma, Sprecher der Initiative "Ein Flugzeug für den Irak" dem Tagesspiegel. Ihren Platz an Bord der Boeing 737-800 hätten bereits drei ehemalige französische Minister, darunter Ex-Außenminister Claude Cheysson, gebucht sowie 50 Abgeordnete aus Frankreich, der Schweiz, Belgien und Großbritannien. Aus Deutschland fliegen zwei Juristen mit, die sich nach Angaben Tomas vergeblich darum bemüht hätten, deutsche Abgeordnete für das Projekt zu gewinnen. Auch die ehemaligen UN-Koordinatoren der humanitären Hilfe in Irak, Hans von Sponeck und Denis Halliday, sind dabei.

Die Teilnehmer bleiben zwei Tage in Bagdad, wo sie Kinderkrankenhäuser und Armenviertel besichtigen werden, in denen die Folgen des Embargos für die Zivilbevölkerung deutlich zu erkennen seien, erklärt Toma. Auch Treffen mit Nichtregierungsorganisationen seien vorgesehen. Finanziert werde die Aktion von den Teilnehmern selbst, die ihren Flug und die Aufenthaltskosten selbst bezahlten, ergänzt der Sprecher der Initiative. Ziel der Operation sei es, auf das "Massaker an der Zivilbevölkerung" aufmerksam zu machen, die Folge des seit über zehn Jahren andauernden Embargos gegen das arabische Land. Dieses wurde nach dem Einmarsch Iraks in Kuwait verhängt. Nach Ansicht der Organisatoren finden die Flüge, die von den USA und Großbritannien heftig kritisiert wurden, völlig legal statt. "Die UN-Sanktionen gegen Irak untersagen keine zivilen Flüge in das Land, daran wollen wir erinnern", erklärt Toma.

Diese Version macht sich auch das französische Außenministerium zu eigen. "Es gibt kein totales Luftraumembargo gegen Irak", erklärt ein Sprecher des Quai d'Orsay. Nur kommerzielle Flüge und Frachtflüge müssten laut den Texten des UN-Sicherheitsrates genehmigt werden. Für humanitäre Flüge dagegen reiche es, diese dem UN-Sanktionskomitee mitzuteilen. Dies habe man mit dem Privatflug der vergangenen Woche getan und werde es mit dem für Freitag geplanten Flug erneut tun. Der französische Zoll kontrolliere vor dem Abflug, ob keine kommerziellen Frachtladungen an Bord seien.

Die USA sehen in dieser Vorgehensweie einen Verstoß gegen die UN-Resolutionen und übten harsche Kritik. Der französische Außenminister Hubert Védrine betont, dass Frankreich als ständiges Sicherheitsratsmitglied das Recht habe, die von ihm mit ausgearbeiteten Resolutionen zu interpretieren. Die Genehmigung dieser humanitären Flüge bedeute nicht das Ende des Embargos. Die Sanktionen könnten erst aufgehoben werden, wenn Irak mit den Vereinten Nationen kooperiere, sagte Védrine. Dabei geht es um die Überprüfung von Bagdads Massenvernichtungswaffen.

In Deutschland hält man sich bedeckt. Das Auswärtige Amt ließ auf Anfrage lediglich verlauten, dass eine "einheitliche Haltung des Sicherheitsrates zur Lösung dieser Frage wünschenswert" wäre und man sich der "Leiden der Zivilbevölkerung sehr bewusst" sei.

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