DIE ZEIT - Feuilleton 17/2002

In Saddams Kulissen

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Zum ersten Mal spielte ein westliches Ensemble im Irak des Diktators Hussein. Bericht von einer Theaterreise nach Bagdad

von Peter Kümmel

Als Roberto Ciulli in Bagdad zum ersten Mal dem irakischen Kulturminister Josef Hamadi gegenübersaß, ließ er seine Hände über die Lehnen des Besuchersessels gleiten; er bemerkte, dass nervöse Finger Löcher ins Futter gegraben hatten. "Herr Minister", sagte Ciulli, "offenbar haben die Menschen Angst vor Ihnen." Der Minister, ein vierschrötiger Herr in Militäruniform, seit 17 Jahren unter Saddam Hussein im Amt und also kaum noch zu überraschen, lachte verblüfft. Als Ciulli am nächsten Tag wiederkam, nahm er in einem neuen Sessel Platz; der alte war verschwunden. Hätte ein irakischer Künstler so mit dem Minister gesprochen, wäre am nächsten Tag eventuell nicht der kaputte Sessel verschwunden, sondern der Künstler.

Es ist eine jener Anekdoten, die die Schauspieler des Mülheimer Theaters an der Ruhr (TAR) gern erzählen über ihren Chef. Ciulli, 68, geht der Angst entgegen, um sie zu bannen. "Schauspieler sind dem Tod näher als andere Menschen", hat er einmal gesagt, und er sucht die Nähe dieses Todes, seitdem er ihm als junger Mann zweimal knapp entrann. Als 27-Jähriger wäre er fast erstickt, als er in einem Auto mit laufendem Motor einschlief; als 29-Jähriger hatte er einen Herzinfarkt. Als Ciulli 30 war, beging sein Vater Selbstmord. Der Sohn, ein Kind aus großbürgerlichem Mailänder Haus, floh nach Norden, in ein anderes Leben. Er hatte in Pavia über Hegel promoviert, aber nun erschien ihm jede theoretische Auseinandersetzung mit dem Leben als "ungelebtes Denken". Er wurde Hilfsarbeiter bei Bosch in Göttingen, ging als Beleuchter ans örtliche Theater, wurde Regieassistent und Regisseur, schließlich Schauspieldirektor in Köln. 1981 gründete er, frustriert vom Stadttheater, in Mülheim sein eigenes Haus, das Theater an der Ruhr. Es ist zu einem Institut für "gelebtes Denken" geworden, und es ist eines der reisefreudigsten Ensembles der Welt. Derzeit arbeitet Ciulli am "Seidenstraßenprojekt". Er will mit seiner Truppe alle Länder bereisen und zu Gastspielen einladen, die an der alten Handelsstraße liegen. Ciulli ist ein Weltdiplomat auf unterster Ebene - auf der Ebene des Windes, der durch die Städte geht. Wenn es mit einem Land kein Kulturabkommen gibt, macht Ciulli das Abkommen selbst. Er ist ein Narr zwischen den Blöcken, den Bushs axis of evil-Spruch dazu provoziert haben muss, auf dieser Achse erst recht schutzlos zu balancieren. 1999 schon gastierte er mit seinem Ensemble im Iran. Jetzt hat das TAR als erstes westliches Ensemble im Bagdad des Saddam Hussein gespielt. Es zeigte Antigone und Handkes Kaspar, den Kleinen Prinzen und die Dreigroschenoper. Im Maul des Haifischs sangen sie von den Zähnen des Haifischs.

Die Mülheimer spielen im Al-Raschid-Theater, nur ein paar Schritte entfernt vom Südufer des Tigris. Es hat 500 Plätze und ist das bestbewachte Theater der Welt. Es liegt im Erdgeschoss eines Gebäudekomplexes, der auch das staatliche Fernsehen und Ateliers der zusammengebrochenen irakischen Filmindustrie beherbergt. Vor dem Gebäude patrouillieren zwei Dutzend Soldaten mit Maschinengewehren. In Betonunterständen sitzen Männer hinter Geschützen, und bei Einbruch der Dämmerung wird die Straße gesperrt. Käme es zu einem Angriff der Amerikaner oder zu einer innerirakischen Revolte, würde diese Gegend als Erste brennen. Nebenan liegt, mit Lichterketten geschmückt, das Informationsministerium. Und am Tigris-Ufer ist ein helmartiger Erdhügel zu erkennen, etwa 15 Meter hoch; darin ist eine der vielen Flakstellungen Bagdads verborgen.

Dass in dieser Stadt nichts stimmt, verrät schon ihr Himmel. Es ist ein Gemäldehimmel aus dem 19. Jahrhundert: keine Flugbewegungen, keine Kondensstreifen. Die Sechsmillionenstadt ist abgeriegelt nach draußen. Geht man durch die Straßen, gewinnt man den Eindruck, in ganz Bagdad gebe es keinen, dem dieser Spaziergang nicht angemeldet worden ist. Ein Weltstar-Gefühl: Alle, alle haben dich erkannt, nehmen dich zwischen die Lichter, halten sich zurück, überlegen, ob sie reagieren sollen. Voll besetzte Busse fahren vorbei, alle starren heraus. Dein Spaziergang ist ein Auftritt. Aber es gibt keine Feindseligkeit. Wenn man lächelt, lächeln sie auch, wen man grüßt, der grüßt erfreut zurück.

Man gibt es schnell auf, mit den Einheimischen über die Zukunft oder über Saddam Hussein sprechen zu wollen. 200 000 Menschen sind in diesem Land in fünf Sicherheitsdiensten aufeinander und auf den Rest des Volkes angesetzt, Blockwarte kontrollieren die Viertel und schreiben ihre Berichte, und niemand im Irak weiß je genau, woran er mit einem anderen ist. Alltag ist hier immer auch Miss-trauensbalance: Wer weiß mehr über den anderen? Wenn es im Westen um Geheimnisse geht, dann liegen sie meist im Psychologischen, Individuellen. Hier im Irak liegen sie im Status, in der speziellen Entfernung zu ihm, zu Saddam; im Grad der Entstellung durch die Macht. Die Folge des Terrors von oben ist eine schutzlose Freundlichkeit der kleinen Leute gegenüber den Fremden.

Bagdad, die Stadt, in der Menschen zu Tausenden spurlos verschwinden, zeichnet sich aus durch eine große Zärtlichkeit für die Waren. Personen gehen unter, die Sachen nicht. Die Dinge werden nicht verbraucht, sondern immerfort recycelt. In diesem Land, das seit 1990 kaum Ersatzteile, geschweige denn Neugeräte importieren kann, wird das Kleinste aufbewahrt. Der Markt ist ein System feiner Siebe. Kisten mit ölgebadeten Schrauben, Federn, Muttern werden angeboten wie kostbare Fänge. Noch der Staub, so scheint es, kann wiederverwertet werden.

An den Folgen des Golfkriegs sind seit 1991 schätzungsweise 1,5 Millionen Erwachsene und 500 000 Kleinkinder gestorben. Noch heute sterben im Land monatlich rund 5000 Kleinkinder aufgrund eines Embargos, das Saddams Regime stärkt und sein Volk schwächt. Und die 300 Tonnen abgereicherten Urans, das die Amerikaner mit ihrer Munition auf den Irak abfeuerten, verstrahlten vor allem den Süden des Landes verheerend; der Irak hat heute eine der höchsten Missbildungsraten bei Neugeborenen. Die Iraker werden als Geiseln gehalten von ihrem eigenen Präsidenten und sinnlos bestraft von den Sanktionen der UN. Sie machen eine soziale, politische, ökologische Katastrophe durch, die seit Jahrzehnten andauert. Was bleibt ihnen übrig, als sich im Absturz einzurichten?

In der Tat wirken manche Basare wie Flugzeugabsturzstellen, an denen sich sofort die Händler und Feinmechaniker angesiedelt haben. Die Bergung des Wracks geht nahtlos in den Handel mit Fundstücken über; um die aufgeplatzten Koffer entwickelt sich ein Basar. Sie löten und präparieren am Ort des Unglücks. Die Katastrophe wird verwaltet mit der Seelenruhe des Handwerks. Selbst der größte Crash wirft Kleinteile ab, die nicht kaputtgehen.

Auf den Strassen herrscht Geisterschifffahrt; zwischen ein paar brandneuen S-Klasse-Mercedes und BMWs in denen wir uns Embargoprofiteure und höhere Herren der Saddam-Mafia vorstellen müssen, rattern Wracks, die oft älter sind als ihre Fahrer. Greise VW Passat, Peugeot, Käfer; hochgebockte Gefährte in allen Stufen der Skelettierung, Autos, die auch auf geraden Strecken so aussehen, als würden sie in eine ewige Linkskurve biegen, von Unwuchten verzerrt.

Die Dinge machen weiter, schwimmen oben, werden bewegt; sie bleiben; den Menschen kann es passieren, dass sie in Saddams Lagern verschwinden. An jeder großen Kreuzung Bagdads wird dieser Gegensatz zur Szene verknappt: Wir sehen einen Iraker, den Kopf unter der Kühlerhaube seines kollabierten Passat, vertieft in ein vertrauenswürdiges System, versunken ins Kleinteilige, abgetaucht ins Reich des reparabel Kaputten.

Zurück im Al-Raschid-Theater. Roberto Ciulli und die Mülheimer spielen Kaspar von Peter Handke, und in Ciullis Inszenierung geschieht, was auf einer irakischen Bühne noch nie geschehen durfte: Eine Frau, Maria Neumann, die den Kaspar spielt, wird entkleidet und gewaschen. Die Männer hinter mir ziehen die Luft durch die Zähne, man hört das nervöse Klickern von Gebetsketten. Ciullis irakischer Verbindungsmann und wichtigster Ansprechpartner, Herr al-Dilajmi vom Kulturministerium, Abteilung Internationale Beziehungen, sagt später, die Mülheimer hätten mit ihren Aufführungen eine "Kulturbombe" auf den Irak abgeworfen. Gemeinsam hätten sie, das Kulturministerium und die Mülheimer, das Embargo gegen den Irak zerschlagen.

Ciulli mag das anders sehen, aber er spielt das Spiel mit. Deutliche Worte wie im Iran, wo er die Morde an Regimekritikern offen ansprach, wählt er im Irak nicht; er hat das komödiantische Gespür dafür, wie weit er gehen darf. Mit einer charismatischen, manchmal sinistren Undurchdringlichkeit agiert er in einem Ring aus Doppeldeutigkeit und Korruption, fest entschlossen, an allen Herrschenden vorbei strikt für das Volk zu spielen. Seine Technik im Umgang mit der Macht ist die aus Tausendundeiner Nacht: erzählen, verwickeln, hinhalten, entwaffnen. "Da ist nun einer schon der Satan selber / Der Metzger: er! Und alle andern: Kälber!", singt Frau Peachum in der Dreigroschenoper, und das sind im Irak schon ziemlich heiße Zeilen, aber zensiert wird nicht. Und der Dialog im Kleinen Prinzen, der wie ein Kommentar zur Innenpolitik klingt, wird freundlich aufgenommen:

"Worüber herrschen Sie, Herr König?"

"Über alles!"

"Auch über die Sterne?"

"Natürlich auch über die Sterne!"

Die meisten Vorstellungen der Mülheimer sind ausverkauft, Zugang hat jeder, der sich die Eintrittskarte leisten kann; viele werden gratis hereingelassen. Die Deutschstudenten der Stadt füllen die Ränge, ihre Dozenten, die meisten haben an der Ostberliner Humboldt-Universität studiert, sind auch da. Man spürt im Saal einen Hunger nach fremden Sprachen und neuen Stoffen, es kondensiert sich hier eine Ahnung von Zivilgesellschaft und Mittelstand, von der auf den Straßen wenig zu spüren ist.

Dort herrscht er, Saddam, in grandioser Abwesenheit. Ich frage Achmed, der sein ganzes Leben in Bagdad verbracht hat und ungefähr zu jener Zeit geboren wurde, als Saddam an die Macht kam, ob er seinen Präsidenten je gesehen habe. Er lacht: "Natürlich nicht." Saddam hat sich zurückgezogen ins Erdinnere (er benützt sein eigenes Labyrinth aus Tunneln), aber er wird vertreten von Tausenden Fotos, Gemälden, Mosaiken, Skulpturen an allen öffentlichen Orten des Irak. Er schaut seinem Volk mit toten Augen zu. Und das Volk schaut verstohlen zurück, als sei schon das eine Übertretung. Seine Bilder wirken wie ein System aus Einwegspiegeln, als wären es verschlossene Zugänge zum unterirdischen System. Das Gefühl des Gesehenwerdens erweckt auch die neuere Architektur; es ist Einwegspiegelarchitektur. Die Gebäude sind mit Schürzen verkleidet und verblendet, sodass man selten sagen könnte, was nun Fenster ist und was Ornament. Lüftungsschlitze, Kiemen durchschneiden die Fassaden, das Haus wird zum selbst versorgenden Block, zum Bedeutungsaggregat. Amerikanische Hochhäuser verjüngen sich nach oben, die irakischen tendieren dazu, oben bulliger zu werden, ambossartige oberste Etagen zu entwickeln: Die Macht materialisiert sich als unerklimmbarer Gipfel.

Saddams Paläste sind über das Land verstreut, auch in Babylon steht einer. Mit seinen dunklen Fenstern und den steilen Fassaden erinnert er an ein gewaltiges Krematorium. Der Palast ruht hügelhoch über der historischen Stätte. Es ist, als werde hier nicht nur Saddams aktuelles Volk, sondern das Reich des Königs Nebukadnezar gleich mit bewacht. Wieder zu Hause, erfahre ich, dass der Palast eine der größten irakischen Fabriken für B- und C-Waffen beherbergen soll; auch Anthrax soll dort hergestellt werden.

Seit kurzer Zeit ist der Präsident als Romancier aktiv: Sein Roman Zibaba und der König (2000) ist eine Liebesgeschichte zwischen einem Herrscher und einer einfachen Frau, die am 17. Januar 1991, dem Tag nach Beginn des Golfkriegs, Opfer einer Vergewaltigung wurde. Das Buch ist ein Erziehungsroman fürs Volk, eine Anweisung, den Tyrannen zu lieben. Saddam hat die Publikation verbunden mit dem Befehl an die Dichter seines Landes, ihre Kunst in den Dienst der Staatsmacht zu stellen. Eines Abends zeigt uns das Kulturministerium ein aktuelles irakisches Theaterstück, das diesen Befehl nachhaltig befolgt: Der Apfel des Herzens handelt von einem tyrannischen König, der ein Spenderherz braucht. Er verliebt sich in die junge Frau, die auserwählt wird, ihm ihr Herz zu opfern. Am Ende setzt er ihr seine Krone auf und umarmt sie; dann füttert er ihr einen vergifteten Apfel; sie fällt, und er grabscht flink der Fallenden die Krone vom Schopf und das Herz aus der Brust. Für die Tote hat er keinen Blick mehr. Wir hören die Botschaft: Wenn du für den König stirbst, wird er all die Güte entwickeln, die in ihm schlummert. Füttere ihn mit Untertanenherzen, und er wird ein Lieber sein.

Wir fahren hinaus zum Amirija-Bunker in einen luftigen, palmenbestandenen Vorort: Hier starben am 14. Februar 1991 um vier Uhr früh 408 Menschen im amerikanischen Bombenfeuer. Der Bunker wird für Besichtigungen offen gehalten. Man führt uns zur durchschlagenen Betondecke, aus dem Metallträger ragen. Eine Führerin zeigt uns Reste verbrannten menschlichen Fleischs, das durch die Detonation an die Wände und Decken geworfen wurde; Spezialisten haben es dort oben präpariert, damit es haltbar bleibt. Mit einer Taschenlampe zeichnet die Frau Abdrücke der Leichen an den Wänden nach, die wie Höhlenmalereien konserviert wurden: "Schauen Sie, das Gesicht, die Augen eines Kindes, und hier, sieht das nicht aus wie ein Lächeln? Und diese Silhouette, ist sie nicht wie von einem Brautschleier umgeben? Vielleicht war das eine Frau, die kurz vor der Heirat stand ..."

Der Bunker ist zu einer Galerie des ungelebten Lebens geworden, in der die Führerin die unerbittliche Bilderdeuterin gibt. Ein Ort des Grauens, als Theater des Grauens weitergeführt. Der Krater am Bunkerboden ist von Filmleuchten erhellt, und ich muss an den New Yorker Ground Zero und an das immerwährende Ermittlungslicht denken, das auch dort brennt.

Man kann in Bagdad gut leben, sagt eine Angestellte der deutschen Botschaft, man muss sich nur hüten, Milchprodukte aus dem Süden zu konsumieren, die sind verstrahlt. Gutes Leben in Bagdad - wir wollen es sehen. Das Taxi bringt uns zu einem Ort der Unterhaltung. Im Mansur-Theater am Rand des Paradeplatzes wird eine irakische Boulevardkomödie gegeben. Das Haus ist nur zu 20 Prozent gefüllt, und der Autor, der auch Regisseur ist, muss selbst mitspielen. Aber das Publikum wirkt wohlhabend, hat seine europäisch gekleideten Kleinkinder mitgenommen und amüsiert sich entschlossen über den hysterisch-artistischen Schwank um einen Mann und seine beiden Frauen. Hier ist Saddams Marschbefehl für die Künste noch nicht angekommen.

Man lebt in Bagdad sehr gut, aber natürlich kann es hier jederzeit losgehen, sagt ein Herr aus dem Umkreis der deutschen Botschaft, und dann hat man als Ausländer keinerlei Schutz mehr. Was wird er dann tun? Ins Auto steigen und nach Jordanien rasen? "Wahrscheinlich. Man muss sehen."

Abends gehe ich durch die Raschid-Straße, als es einen Stromausfall gibt. Die Läden sind jetzt tiefe Höhlen, und in den Cafés sitzen sie im Dunkeln, Männer mit Umhängen, Wasserpfeife schmauchend, ungerührt, wie in einem voll besetzten Bus, der nachts eine Panne hat. Keiner käme auf die Idee, aufzustehen und ins Freie zu gehen. Und ich stelle mir vor, dass sie genauso dasitzen werden, wenn die amerikanischen Flugzeuge zurückkommen.

Doch Saddam Hussein stemmt sich mit allen symbolischen Mitteln gegen weitere Angriffe. Sein wichtigstes Mittel: Kontinuität. Er macht so weiter wie immer. Der Präsident lässt drei gigantische Moscheen im Stadtgebiet hochziehen, darunter die größte der Welt, ein Monstrum mit acht Minaretten, sechs Milliarden Euro teuer. Am Paradeplatz ragen Riesenfäuste aus dem Boden, die 30 Meter hohe Klingen kreuzen, und das wirkt wie ein Abwehrzauber gegen alle Angriffe aus der Luft. Der Gigant hat sich eingegraben und lässt nur manchmal eine Faust aus dem irakischen Sand schnellen oder, wie vor der neuen Moschee, einen riesigen Daumen.

Wenn man den Fernseher einschaltet, kann man Näheschocks erleben. Im Sender des Präsidentensohnes Uday läuft die irakische Version von Wer wird Millionär?. Dieselbe Musik, dieselbe Lichtregie, wie wir sie von Günther Jauch kennen. Der Quizmaster fragt nach der Nationalität des Fußballtorwarts Peter Schmeichel. Der Kandidat weiß es nicht und ruft seinen Freund an. Der sagt: deutsch. Der Kandidat dankt dem Freund, sagt inschallah und loggt "deutsch" ein. Es war die falsche Antwort. Schmeichel ist Däne. "Der Kandidat war sehr ungebildet", sagt mir später im Theater ein Germanistikstudent aus Bagdad, "die meisten Iraker hätten die Antwort gewusst. Vermutlich hat er Schmeichel mit Oliver Kahn verwechselt."

Morgenvorstellung im Al-Raschid-Theater: Irakische Waisenkinder, die ihre Eltern im Krieg verloren haben, sehen Der kleine Prinz. Anschließend verteilen die deutschen Theaterleute Plüschtiere, die ihnen Mülheimer Kinder mitgegeben haben. "Wir wissen, dass ihr viele wichtigere Dinge braucht", sagt Roberto Ciulli, "aber wir haben uns etwas Symbolisches überlegt. Die Tiere haben alle ein deutsches Leben hinter sich, und jetzt beginnen sie in Bagdad mit euch ein neues."

Bären, Pinguine, Hasen aus Mülheim, man möchte sie inbrünstig bitten, ihren neuen Besitzern als Schutzengel zu dienen.