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Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Iraks im Gespräch mit AL-YASSAR:

Die amerikanische Administration schlachtet den "irakischen Fall" für ihre Strategien in der Region aus.

Das Volk leidet unter den Bürden der Aggression und der Wirtschaftssanktionen, wobei das Regime der geringste Verlierer ist.

 /AL-YASSAR, März2001, Nabil Yacoub/
AL-YASSAR: Präsident Bush gab sein Debüt auf der Ebene der Beziehungen mit der arabischen Welt durch einen Militärangriff gegen den Irak. Dies geschah unmittelbar vor dem Besuch seines Außenministers in die Region. Welche Auswirkungen hatte der Angriff auf Bagdad? Welche Ziele sehen Sie hinter diesem Angriff? Mit welchen Mitteln können diese aggressiven Taten gestoppt werden?

Mousa: Zweifelslos verfolgt die amerikanische Administration in Übereinstimmung mit ihrer Strategie in dieser Region ihr eigenes Kalkül, das die Ausnutzung jeder Lücke oder Situation zur Durchsetzung ihrer Ziele beinhaltet. Diese Administration nutzt seit Jahren den Fall Irak (die Kriege des Regimes gegen die Nachbarländer und sein beispielloser Terror gegen das eigen Volk) zur Beeinträchtigung der zwischenarabischen Solidarität und der Zersplitterung arabischer Kräfte der nationalen Befreiung aus. Damit wird auch bezweckt, die Kräftebilanz (insbesondere die politische und militärische) zugunsten der mit ihr verbündeten zionistischen Herrscher Israels zu verschieben.Der amerikanische und britische Luftangriff vom 16.Februar dieses Jahres ist lediglich ein Glied in der länger andauernden Kette von Luft- und Raketenangriffen, die den Werten der Humanität widersprechen und durch keine Argumente gedeckt werden können. Denn der einzige Leidtragende ist unser Volk. Die Bombardements lösen kein Problem, im Gegenteil – sie verkomplizieren das Ganze und fügen im Übrigen der Diktatur und ihren Institutionen (entgegen den Behauptungen) keinen Schaden zu. Die Angriffe sind vielmehr vom Nutzen für das Regime und seine irreführenden demagogischen Losungen. Wir verurteilen die barbarischen Bombardements und bringen unser Mitgefühl mit den unschuldigen Opfern zum Ausdruck. Wir sind weiterhin der Meinung, daß der einzige richtige und gerechte Weg zur Konfliktlösung und zur Beseitigung der ungelösten Probleme in der Anwendung von politischen friedlichen Mitteln im Einklang mit dem internationalen Recht besteht. Auf diese Weise wird unserem Volk die Beendigung der wirtschaftlichen Sanktionen gewährleistet und beim Aufbau der demokratischen Alternative geholfen.

AL-YASSAR: Das irakische Regime war vor dem letzten Luftangriff kurz davor, seinen Sieg über die Sanktionen zu feiern, wobei der Sicherheitsrat keinen seiner Beschlüsse bezüglich der Waffeninspektionen und der Luftkontrolle über dem Süden und Norden, sowie der Kontrolle über die Erlöse aus dem Erdölverkauf außer Kraft gesetzt hat?

Mousa: Was für ein Sieg? Betrachtet man näher die Fakten, so ist es offensichtlich, daß das Volk – Millionen von Menschen – unter den Bürden der Wirtschaftssanktionen leiden. Aus den zahlreichen Delegationen und dem Strom von Flügen und Besuchen nach Bagdad ergab sich weder eine quantitative noch qualitative Änderung in den Zuteilungen der Lebensmittelration. Dabei ist die Lebensmittelration der Maßstab nach dem die Lockerung bzw. die Verschärfung der Sanktionen bemessen wird, denn dadurch kann der Bürger spüren, wie seriös die Bekundungen bzw. die Veränderungen sind.Es stimmt, daß die edlen internationalen humanitären Solidaritätsaktionen vom Regime zur Sammlung politischer Pluspunkte ausgenutzt wurden. Diese moralischen Pluspunkte sind allerdings lediglich Glieder in einer komplizierten Kette von Maßnahmen, die nicht zur Aufhebung des Embargos beitragen konnten. Nötig ist aber ein anderer Standpunkt und anderes Verhalten seitens des Regimes. Erforderlich ist ein ausgeglichener rationaler Umgang mit den internationalen Beschlüssen. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, daß der Irak entweder wohlwollend oder böse auf die Forderungen reagieren muß. Es gibt aber Verpflichtungen, die erfüllt werden müssen, damit die Entbehrungen des Volkes durch die Aufhebung der Sanktionen beendet werden können.Solches Rowdytum verschärft die Kompliziertheit der Lage und liefert den USA und ihren Verbündeten im UNO-Sicherheitsrat den Vorwand und die Gelegenheit zur Verkomplizierung der Embargo-Frage und zur Verlängerung der Sanktionen. Diese glauben nämlich immer noch, daß durch das Embargo das Regime vereinnahmt werden kann.
AL-YASSAR: Der neue amerikanische Außenminister Colin Powell bemängelte in seinen ersten Erklärungen die inkonsequente Durchsetzung des Embargos. Damit ist eine Verschärfung der USA-Haltung zu erwarten.

Mousa: Dies ist die Sicht Powells als Vertreter der republikanischen Administration. Er möchte damit im Einklang mit den Erklärungen der Wahlkampagne stehen, wo die Clinton-Administration diesbezüglich kritisiert wurde. Die Äußerungen Pauls müssen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Das irakische Volk leidet genug unter der Fortsetzung des Embargos.Sollte er jedoch meinen, daß sie nicht in der Lage waren mittels der Sanktionen das Regime zu stürzen bzw. zu verändern, so ist es etwas Anderes. Es gibt berechtigte Zweifel, ob die USA dies überhaupt erreichen wollen. Außerdem sind die Sanktionen nicht der richtige Weg dafür. Im Gegenteil, das Embargo sowohl in seiner bisherigen Form, wie auch in der von Powell angestrebten Weise ist eine Stütze für den Machterhalt des Regimes. Der Schaden wird nur Millionen Menschen aus der einfachen Bevölkerung zugefügt. Die Nachteile für das Regime dagegen sind äußerst gering.Dass das irakische Regime seinerseits weder interessiert noch beeilt ist die Aufhebung der Sanktionen zu erreichen, verdeutlichen die folgenden Sachverhalte.Erstens, wurde das Regime zur Finanzierung der Lebensmittelrationen gemäß der UNO-Resolution 986 (Oil for Food) vom 1996 verpflichtet. Vom Regime wurden dafür, gemäß den offiziellen Erklärungen und der Statistik, 90 Millionen US-Dollar monatlich zur Verfügung gestellt, was 1080 Millionen US-Dollar im Jahr entspricht. Diese Summen waren bereits in der Staatskasse, als mit der Umsetzung der Resolution begonnen wurde. Die Finanzierung der Nahrungsmittel- und Medikamentenkäufe erfolgte aber mittels der neuen Erdölverkäufe. Wäre es dem Regime daran gelegen die Not der Bevölkerung zu lindern, hätte es diese akkumulierten Gelder dafür verwendet.Zweitens, exportiert bzw. schmuggelt das Regime gegenwärtig Erdöl über vier Hauptdurchlässe, womit es gemäß den vorsichtigsten Schätzungen 1,5 Milliarden US-Dollar monatlich einnimmt. Warum wurden diese Einnahmen nicht für die Verbesserung der Nahrungsmittel- und Medikamentenversorgung verwendet?

AL-YASSAR: (Zwischenfrage) Die geschmuggelten Erdölverkäufe erfolgen zusätzlich zu den von der UNO offiziell erlaubten Verkäufen hinzu? Über welche Wege laufen die Schmuggelgeschäfte?

Mousa: Jawohl, zusätzlich zu den von der UNO freigegebenen Mengen und außerhalb der UNO-Kontrolle. Dies geschieht über die Türkei, Iran, Syrien und Jordanien.Und Drittens, und das ist das Bedeutsamere, exportiert der Irak gegenwärtig 2,3 Millionen Barrel täglich, infolge der Erhöhung der Ölverkaufsmengen gemäß der Resolution 986. Damit stehen der irakischen Regierung, bei den gegenwärtigen Ölpreisen, Erlöse in Höhe von 16 Milliarden US-Dollar jährlich zur Verfügung. Nach Abzug der Raten für Reparationszahlungen und des Kostenanteils der UNO, verbleiben der irakischen Regierung 13Milliarden US-Dollar. Diese Gelder liegen auf Konten bei der Bank Frankreichs, die für die Deponierung der Erlöse aus den von der UN kontrollierten Ölexporten zuständig ist. Obwohl diese Gelder zu einer spürbaren Verbesserung der Lebenslage der Bevölkerung eingesetzt werden können, zögert das Regime bislang diese zu verwenden. Es rechtfertigt dieses Zögern mit der stockenden Freigabe der abgeschlossenen Lieferverträge durch die zuständige UNO-Kommission. Die Statistik zeigt jedoch, daß die eingefrorenen Verträge den Gesamtumfang von 2,4 bis 4 Milliarden US-Dollar nicht überschreiten.Die Embargo – Kommission der UNO lehnt die Freigabe dieser Verträge ab, unter dem Vorwand, daß es sich um "multiple use" – Güter handelt. Würden wir diesen Betrag außer Acht lassen, verblieben immer noch über 9 Milliarden Dollar. Warum verwendet die irakische Regierung sie nicht zur Anschaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, statt täglich im Fernsehen die herzzerbrechenden fürchterlichen Bilder von Kindersärgen und Krüppeln in den Krankenhäusern zu präsentieren?Dies bedeutet, daß die irakische Regierung durchaus in der Lage ist diese Bedürfnisse zu befriedigen, zeigt aber kein Enthusiasmus und Eile hinsichtlich der Aufhebung des Embargos oder der Linderung der Nöte des irakischen Volkes.Damit stellt sich die Frage nach der Logik des Ganzen?! Es ist nun mal so, daß das Embargo mit seinen Folgen eine nützliche, wenn auch makabre, Spielkarte in den Händen des Regimes ist, mit der Sympathien seitens der Weltgemeinschaft gewonnen werden und damit Druck auf einige Mitglieder des Sicherheitsrates ausgeübt werden kann. Momentan ist die ganze Welt wegen den Leiden des irakischen Volkes empört. Sollten die Nahrungsmittel und Medikamente verfügbar werden, könnte damit die Not der Bevölkerung zweifellos gelindert werden, womit dem Regime diese Spielkarte entzogen werden würde. Das Regime setzt aber auf der internationalen Ebene auf die politische Ausschlachtung des humanitären Mitgefühls um sich wieder politisch zu rehabilitieren.

AL-YASSAR: Bezweckt wird die Ausnutzung des internationalen humanitären Mitgefühls um das Regime, wie es ist, zu erhalten?

Mousa: So ist es. Andererseits, entzieht die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln und Medikamenten und eine mit Aufhebung des Embargos verbundene Verbesserung der Lebenssituation dem Regime ein weiteres Instrument, mit dem die Gefolgschaft der Bevölkerung im Lande und ihre Abhängigkeit von den staatlichen Organen durchgesetzt werden kann.Zur Zeit wird das Embargo mit seinen Konsequenzen als Sicherheits- und Kontrollinstrument genutzt. Um die Nahrungsmittel zu erhalten, die nur mittels Lebensmittelkarten erhältlich sind und um für die Familie die Lebensbedürfnisse zu erfüllen, ist der Bürger gezwungen den Forderungen der Regierung und den Anweisungen ihrer Organe zu folgen. Man ist gezwungen, die Gefolgschaft und Loyalität gegenüber der Regierung zu beweisen um die Lebensmittelkarten zu behalten. Wegen ihrer Überlebensnotwendigkeit ist die Lebensmittelkarte zu einem Instrument der Erniedrigung, Überwachung und Disziplinierung des Bürgers geworden.Aus diesen Gründen ist das Regime nicht daran interessiert, die Aufhebung des Embargos zu beschleunigen. Im Gegenteil es trägt unmittelbar bewußt zur Aufrechterhaltung der Sanktionen bei. Das Ziel ist, dieses Instrument des Machterhalts wegen aufrechtzuerhalten und die internationale Akzeptanz, mittels Tauschgeschäft - Politik gegen Wirtschaft, wieder zu erlangen. Daher kümmert sich die Regierung nicht um die Aufhebung des Embargos und trägt mit ihrem Verhalten zur Komplizierung des Problems bei.Was die weiteren Beschlüsse des Sicherheitsrates bezüglich der Waffeninspektionen angeht, so ist die Zerstörung der Massenvernichtungswaffen unumgänglich. Die Weigerung des Regimes diesbezüglich führt nur zur Verlängerung des Embargos.Natürlich lassen sich die unaufrichtigen Ziele der amerikanischen Administration nicht rechtfertigen und sind völlig inakzeptabel, denn diese versucht die Inspektionen für andere Zwecke zu nutzen. Der Ursprung des Problems wird aber dadurch nicht aufgehoben. Denn es gibt nun mal einen internationalen Beschluß über die Zerstörung der Massenvernichtungswaffen, was nur mittels der Inspektionen durchgesetzt werden kann. Damit werden die Sanktionen mit der Vollendung der Inspektionen verknüpft. Die Verweigerung der Inspektionen seitens des Regimes liefert damit den Vorwand zur Aufrechterhaltung des Embargos.Unser Standpunkt als Opposition und KP ist, eine Änderung von Resolutionen des Sicherheitsrates im Sinne der Differenzierung zwischen dem Volk und dem Regime durchzusetzen. Differenzierung zwischen dem verbrecherischen Regime, das für den Krieg verantwortlich ist, und dem unschuldigen Volk, das selbst Opfer des Regimes ist und zum Beschluß über den Krieg keine Meinung äußern durfte. Der Krieg war eine Katastrophe für das irakische Volk und seine Volkswirtschaft im gleichen Maße wie für seine Nachbarn. Um diese Gedanken bei den UNO- Resolutionen umzusetzen, muß die Frage der Wirtschaftssanktionen von dem politischen und militärischen Embargo abgekoppelt werden. Erforderlich ist eine Änderung der letzten Resolutionen, vor allem Nr.1284, um die mit den Inspektionen verbundenen Militärsanktionen von den wirtschaftlichen zu trennen. Die Wirtschaftssanktionen müssen aufgehoben werden und die militärischen Problempunkte im Einklang mit dem internationalen Recht und nicht durch den amerikanischen Rowdytum gelöst werden.

AL-YASSAR: Die irakische Regierung behauptet, daß sie die Waffeninspektionen so lange ablehnen werde, bis sie alle Länder der Region einschließen. Sie behauptet dadurch auch die Inspektionen des israelischen Arsenals durchsetzen zu wollen.

Mousa: Dies ist ein Ablenkungsmanöver durch "Alles-in-ein-Topf-werfen". Wir schließen uns der Vorstellung aller Demokraten und Linken in der arabischen Region und der Welt an, daß es zur totalen Abrüstung bei den Massenvernichtungswaffen in der ganzen Region, einschließlich Israel, kommen muß. Dies ist aber eine Frage, die unabhängig von dem Fakt ist, daß das irakischer Regime einen offenen Krieg ausgelöst hat, weshalb die Resolutionen der UNO in Bezug auf den Irak, insbesondere seine Regierung, beschlossen worden sind. Das irakische Regime versucht sich durch Ablenkungsmanöver der Verantwortung zu entziehen.Wir sind dafür, daß für die ganze Region die Zerstörung der Massenvernichtungswaffen durchgesetzt wird. Dies steht aber in keinem Widerspruch dazu, daß das irakische Regime, als Kriegsverbrecher und Aggressor, seine internationalen Verpflichtungen erfüllen muß.Was die Luftüberwachung im Norden und Süden anbetrifft, so wurde diese durch einige der Mitglieder des Sicherheitsrates beschlossen. Einige dieser Länder halten die Luftüberwachung für eine Modifizierung der Resolution Nr.688, die sich mit der Beendigung des Terrors und der Unterdrückung im Süden und im Norden befaßt. Ein anderer Teil des Sicherheitsrates sieht keine Deckung dieser Überwachung durch die internationalen Beschlüsse und betrachtet sie als eine Initiative einzelner Länder.Dieser Beschluß stand im Zusammenhang mit der Reaktion des Regimes auf den Aufstand von Millionen Irakern gegen ihn, womit das Regime eine brutale Mord-, Vertreibungs- und Massenvernichtungskampagne auslöste. Die breite internationale Empörung damals (1991) wurde von den USA, Großbritannien und Frankreich zusammen mit einigen Verbündeten in der Region in die Errichtung der "Sicherheitszonen" übersetzt. Diese Zonen wurden nicht gemäß der Bitte der irakischen Bevölkerung errichtet, sondern entsprechend einem auswärtigem Beschluß unter komplizierten politischen Ausnahmebedingungen. Das Weiterbestehen dieser Zonen hängt vom Verhalten des irakischen Regimes ab. Diese Zonen werden dann überflüssig, wenn das irakische Regime sich bereit erklärt, seine Bürger zu beschützen und damit aufzuhören, die Menschen zu vernichten, ihre Häuser zu zerstören, ihre Familien zu demütigen und die chemischen Waffen einzusetzen. Da aber das Regime seine brutale aggressive Politik fortsetzt, ist der Zeitpunkt für Diskussionen über das Fortbestehen bzw. Abschaffung der Flugverbotszonen nicht geeignet. Das Verschwinden dieser Zonen und die Forderung nach ihrer Abschaffung hängt von den Veränderungen in der Politik des Regimes ab.

AL-YASSAR: Was ist mit den Erlösen aus dem Ölverkauf? Wie lange bleiben sie unter Aufsicht?

Mousa: Angenommen die Sanktionen werden aufgehoben bzw. aufgelockert und der Erdölverkauf und das Handel kann ungehindert ablaufen – sollten dann die Ölverkaufserlöse der irakischen Diktatur zur freien Verfügung gestellt werden? Auch dann, wenn das Regime seine aggressive Politik fortsetzen würde? Diese Gelder würden zweifelsohne die Diktatur dazu verleiten, die alten, wenn nicht sogar schlimmeren Szenerien zu wiederholen. Die Funktionäre der Diktatur bestätigen dies täglich. Die letzten Erklärungen anläßlich des zehnten Jahrestages der Beendigung der Okkupation von Kuwait sind ein Beweis für unsere Einschätzungen. So besteht Udai (der Sohn Saddams) nach all den Katastrophen erneut darauf, Kuwait als eine Provinz in die politische Karte Iraks einzugliedern. Dies ist ein Beharren auf der Ignoranz der gesamten Erfahrung, und eine Rückkehr zum Aggressionsgeist, der dazu aufrief, Kuwait zu annektieren. Gefragt nach dem Sinn dieser Erklärungen bestätigten Tareq Aziz und Taha Yassin (beide Vize von Saddam), daß die Besetzung Kuwaits durch den Irak legitim war und sich auf eine gewaltigere Weise wiederholen würde, sobald dies die Umstände erlauben würden.Im Lichte dieser Standpunkte, die von den Organen der Diktatur und ihren Funktionären ohne Skrupel immer wieder wiederholt werden stellt sich die Frage, ob es möglich ist, einer solchen Regierung zu trauen. Abgesehen davon, weicht diese Regierung den Verpflichtungen nach der Zerstörung der Massenvernichtungswaffen konsequent aus und setzt den Terror gegen das eigene Volk fort.Folglich stellt sich die Frage nach der Verwendung der Gelder aus dem Erdölexport, wenn das Regime unkontrolliert über dieses verfügen dürfte. Diese Finanzressourcen würden für die erneute Militarisierung des Landes und den Wiederaufbau der Militär-industrie, sowie für Ausbau und Erneuerung des Terrorapparates verwendet werden. Aus diesen Gründen, sowie aufgrund des weiteren großen Problems im Irak, nämlich der Kurdengebiete, die unter einer doppelten Blockade gelitten haben und weiterhin leiden, muß es sichergestellt werden, daß die Erlöse aus dem Ölexport für den friedlichen Wiederaufbau verwendet werden.Die Probleme des Wiederaufbaus des Landes und der Volkswirtschaft wird durch die einmalige Auswanderungsbewegung verschärft. Gegenwärtig nähert sich die Anzahl der Flüchtlinge, Vertriebenen und in Exil gegangenen Iraker der 4 Millionen Grenze. Zum Zeitpunkt der Machtübernahme durch die Baath-Partei ist die Anzahl der ausgewanderten Iraker unter 0,5 Millionen gewesen. Die Auswanderung ist unter dem Baath-Regime sprunghaft gestiegen. Dies ist eine Folge von Terror- und Deportationskampagnen, im wesentlichen aus politischen Gründen, sowie infolge verschiedener wirtschaftlicher und psychologischer Faktoren.Die menschlichen Ressourcen des Landes verbluten. Eine enorme Anzahl von Ärzten, Ingenieuren und Intelektuellen hat das Land in Folge der tragischen Umstände verlassen.Dies spiegelt sich natürlich auf die zwischenmenschliche Beziehungen im Lande. Die Folgen für die Gegenwart und die Zukunft Iraks sind verheerend.

AL-YASSAR: Wie wird die Zusammengehörigkeit und die Interaktion zwischen dem Exil und dem Inland unter einer terroristischen Diktatur aufrechterhalten?

Mousa: Dies geschieht auf verschiedenen Wegen, obwohl das Regime über wirksame Instrumente zur Unterdrückung des freien Denkens, des kulturellen Lebens und zur Behinderung des Informationsaustausches verfügt. Der Irak gehört zu den wenigen Ländern, in denen der Empfang von Satellitensendern und der Gebrauch des Internets verboten ist. Die Aufstellung von Parabolantennen wird im Irak mit Freiheitsstrafe geahndet. Zum Aufspüren dieser setzt das Regime sogar Hubschrauber ein.Trotzdem wagen es viele an die Information über die Satellitensender ranzukommen. Und trotz der scharfen Zensur kann nicht behauptet werden, daß es zu gravierenden Unterschieden in kultureller Hinsicht zwischen dem Exil und dem Inland gekommen ist.Die politischen Kräfte, vor allem die Parteien, spielen die Rolle des Verbindungsgliedes zwischen den Irakern im In- und Ausland. Die Exil-Iraker verfolgen mit erhöhter Aufmerksamkeit die Entwicklung in ihrem Lande und sie beteiligen sich auf unterschiedlicher Weise an der Formierung neuer Perspektiven für das Land.Die Kluft ist eher zwischen der Kultur der Diktatur und der des Volkes.Wir leisten unseren Beitrag zur Aktivierung dieser Interaktion, um die Potentiale dafür zu bündeln, das Volk in seinem Kampf zur Errichtung eines demokratischen föderativen einheitlichen Iraks wirksam zu unterstützen.