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Wie schon oft, wenn die westliche Irakpolitik in Gefahr ist, sprang die halbamtliche Frankfurter Rundschau am 25.05.2001 wieder ein, um mit einem Interview mit Safaa Mahmoud vom Obersten Islamischen Rates SCIRI und zwei weitern Artikeln für die richtige Stimmung bei ihrer Leserschaft zu sorgen.

Interwiews mit ausgewiesenen Kennern der Situation im Irak, die den Sanktionen kritisch gegenüber stehen, sucht man in der FR vergebens: weder Hans von Sponeck, den ehemaligen Leiter des des Öl-für-Nahrungsmittel-Programms im Irak, noch andere UN-Mitarbeiter vor Ort wurden je befragt, um Informationen zu erhalten, die nicht vom politischen Kalkül der jeweiligen irakischen Interessensgruppen bestimmt sind. (s. Leserbrief an die FR dazu)

"Aufhebung der Sanktionen allein hilft überhaupt nicht"

Safaa Mahmoud, Europa-Sprecher des Obersten Islamischen Rates SCIRI., über sinnvolle Hilfe für die irakische Bevölkerung

Irak kann auf die Aufhebung der Sanktionen aus dem Golfkrieg hoffen, weil die USA ihren Kurs geändert haben. Dies soll der unter dem Embargo leidenden Bevölkerung helfen und das Regime von Saddam Hussein schwächen. FR-Redakteur Edgar Auth sprach darüber mit Safaa Mahmoud, dem Europa-Repräsentanten des oppositionellen Obersten Islamischen Rates SCIRI. Dies ist die Dachorganisation der schiitischen Bevölkerungsmehrheit in Irak.

Frankfurter Rundschau: Die USA und Großbritannien wollen die Sanktionen gegen Irak größtenteils aufheben und auf Rüstungstechnologie beschränken. Was halten Sie davon?

Safaa Mahmoud: Das Problem in Irak hängt nicht vom Embargo ab. Das irakische Volk leidet seit langem unter der Unterdrückung durch das jetzige Regime. Die Lösung der irakischen Frage kann nur durch die Änderung des Regimes kommen. Es ist richtig, die Sanktionen treffen die Bevölkerung in Irak sehr stark, aber die Aufhebung der Sanktionen nutzt ihr überhaupt nicht. Wir hoffen auf eine Gesamt-Lösung für die irakische Frage.

Sind Sie also gegen die Lockerung der Sanktionen?

Nein, aber man muss unterscheiden zwischen dem Regime und der Bevölkerung. Man soll das Embargo für die Bevölkerung total aufheben, aber gegen das Regime beibehalten.

Das ist doch das Ziel der neuen US-Politik.

Ja, aber wenn das Regime bleibt, wird die Bevölkerung überhaupt nichts von irgendwelchen Lockerungen haben. Vergleichen wir die Lage von Nordirak, von Kurdistan, mit der Lage in der Mitte und in Südirak, so hört man kaum über Kindersterblichkeit in Kurdistan oder über Knappheit von Lebensmitteln und Medikamenten. Warum? Weil das Regime dort überhaupt keinen Einfluss hat. Die Verteilung von Lebensmitteln und Medikamenten geschieht unter UN-Überwachung. Aber in der Mitte und im Süden Iraks ist die Lage ganz anders. Dort herrscht eindeutig Knappheit an Lebensmitteln und Medikamenten. Man hört über schrecklich hohe Kindersterblichkeit, weil das Regime die Verteilung kontrolliert. Deswegen sagen wir, die UN sollen auch in der Mitte und in Südirak die Lage überwachen und die Lebensmittel und Medikamente verteilen.

Gibt es denn derzeit in Südirak nennenswerte Aktivitäten der Opposition?

Obwohl das Regime in Bagdad eine systematische tägliche militärische Kampagne durchführt, gibt es da großen Widerstand.

Haben Sie denn nennenswerte militärische Kräfte zur Verfügung?

Wir sind im Inneren des Landes stark und haben die "Badr"-Einheiten des Obersten Rats überall in Irak. Dazu gehören auch Offiziere und Soldaten, die seit dem Krieg gegen Iran die Armee verlassen haben.

Worauf begründen Sie die Annahme, dass ein Machtwechsel möglich ist?

Wir glauben, dass das Regime sehr schwach ist im Innern des Landes. Wir können jede Provinz befreien. Aber das Regime würde sicher mit chemischen und allen anderen Waffen die Bevölkerung in diesen Provinzen angreifen. Wer schützt die Zivilbevölkerung?

Wen schlagen Sie vor?

Die UN Resolution 688 soll Menschenrechtsverletzungen in Irak verhindern. Und die Resolution 949 verbietet dem Regime, seine schweren Waffen südlich des 33 Breitengrades zu stationieren. Die Amerikaner, die Alliierten und auch die UN haben diese zwei Resolution ganz vergessen. Wir finden, dass dem Regime in Süd- und Mittelirak keine freie Hand mehr gelassen werden dürfte. Wir haben dies als Bedingung für weitere Zusammenarbeit beim neuen Programm der Amerikaner gestellt.

Wie sollte man das durchsetzen?

Wenn sich Saddam nicht daran hält, mit Luftangriffen wie im Norden.

Wie stellen Sie sich eine neue Ordnung vor?

Wir streben eine Übergangsregierung an, die freie Wahlen organisieren sollte. Dann glauben wir an ein Multiparteiensystem und eine Regierung, die die Menschenrechte respektiert und die anderen Religionen und Meinungen respektiert und schützt. Wir sind nicht gegen Föderalismus. Aber uns ist wichtig, dass das durch eine legitime Regierung kommt.

SCIRI hat ein geistliches Oberhaupt als politischen Führer, Ayatollah al Hakim. Verstehen sie sich als religiösen oder als weltlichen Widerstand?

Beides. Ayatollah al Hakim hat ein politisches Programm, das Zusammenarbeit mit anderen politischen Kräften vorsieht. Wir orientieren uns an den Gruppen, die bewaffnete Kräfte im Land haben, weil wir glauben, dass die Lösung aus dem Inneren des Landes kommt. Beispielsweise arbeiten wir mit der Patriotischen Union Kurdistans zusammen.

Wie zu erfahren war, unterstützen die USA den Vorschlag eines Kriegsverbrecher-Tribunals gegen Saddam. Und die USA gaben sogar schon Geld für die Entsendung von Recherche-Teams, die die Verbrechen Saddams dokumentieren sollen. Ist damit Spionage für die USA gemeint?

Saddam Hussein hat so große Verbrechen begangen, dass man das jetzt gar nicht braucht. Besonders die Amerikaner haben 14 Tonnen von Dokumenten aus Nordirak mitgebracht. Das ist genug, um die Verbrechen Saddams zu dokumentieren.

Unterstützen Sie grundsätzlich dieses Tribunal?

Wir finden, dass das richtig ist, um die Vertreter des Regimes zur Rechenschaft zu ziehen. Es kann auch Länder beeinflussen, die jetzt wirtschaftliche Verträge anstreben, dies könnte eine solche Annäherung an das Regime verhindern. Es wäre auch wichtig, Saddam Hussein als Kriegsverbrecher zu brandmarken, um ihn zu isolieren und bloßzustellen.

Trauen Sie den USA? Glauben Sie, dass zwischen den USA und einer schiitischen Opposition eine dauerhafte, vertrauensvolle Zusammenarbeit möglich ist?

Mit den USA haben wir lange Gespräche geführt. Nach dem Volksaufstand gab es ein Missverständnis. Die Amerikaner sind in die Falle des Regimes gegangen, zu glauben, dass die Schiiten einen Teil des Landes im Süden abspalten wollten. Jetzt hat sich das durch Gespräche geändert. Die Amerikaner glauben, dass wir die wichtigsten Partner für sie sind.

Glauben Sie, dass man Deutschland wegen Beihilfe zur Giftgas-Produktion Saddams zur Rechenschaft ziehen sollte?

Deutschland hat dem Regime in Bagdad in diesem Bereich viel geholfen. Das ist bekannt. Deswegen hoffen wir jetzt, dass die deutsche Regierung jetzt Hilfe für die Chemieproduktion des Regimes verhindert.

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Copyright © Frankfurter Rundschau 2001
Dokument erstellt am 24.05.2001 um 21:10:59 Uhr
Erscheinungsdatum 25.05.2001