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Oberste Rat der Isamischen Resistance im Irak:
"Embargo nicht aufheben, ohne den Verursacher, nämlich das Regime, zu beseitigen"

DER OBERSTE RAT DER ISLAMISCHEN RESISTANCE IM IRAK

BÜRO WIEN


Zur Irak Debatte

Bezugnehmend auf den Appell, der von einigen Persönlichkeiten, die im Bereich der Menschenrechte
und im Kampf gegen Kriege aktiv sind, erhoben wurde, um das Embargo gegen den Irak zu beenden,
hat Safaa Mahmud, der Repräsentant des Obersten Rates der Islamischen Resistance im Irak, das im
Folgenden angefügte Schreiben an die Initiatoren (Jochen Guillard, Professor Dr. Gottstein, Professor
Norman Paech, Rainer Rupp und Herrn von Sponeck) gerichtet.


Sehr geehrte Damen und Herren,


Es ist keine Frage, daß das Wirtschaftsembargo gegen das irakische Volk beendet werden sollte,
worauf wir schon von Anbeginn, noch bevor diese Forderung von ausländischer Seite erhoben wurde,
hingewiesen haben – doch muß man diese Frage umfassend betrachten.

Wenn auch jene Staaten, die das Embargo verhängt haben, eine gewisse Verantwortung für die Leiden
des irakischen Volkes tragen, so ist das Regime nicht weniger verantwortlich, denn es hat das Embargo
für seinen eigenen Zwecke ausgenutzt. Das Ziel des Regimes war es, weiterhin verbotenen Waffen zu
horten und den Unterdrückungsapparat zu verstärken.

Um Ihnen, die Sie in jüngster Zeit eine Kampagne zur Beendigung des Embargos gegen den Irak
gestartet haben, dies zu verdeutlichen, möchte ich folgende Punkte anführen:

1.Das irakische Regime hält große Mengen an Lebensmitteln und Medikamenten zurück, die, im
Rahmen eines UN-Programms eingeführt, eigentlich der Bevölkerung zugute kommen sollten,
stattdessen werden diese in die Golfstaaten, in den Libanon oder andere Länder verkauft, wo
bereits erhebliche Mengen dieser Güter beschlagnahmt wurden.
2.Weite Teile des Landes, vor allem im Mittel- und Südirak, erhalten überhaupt keine Lebensmittel-
oder Medikamentenlieferungen, was dazu geführt hat, daß sich die gesundheitliche Lage der
Bevölkerung in diesen Gebieten ständig verschlechtert, während es den Menschen in jenen
Gegenden, aus denen die führenden Mitglieder der Regierung stammen, sehr gut geht. Ein Hinweis
dafür ist, daß in allen offiziellen Medienberichten über die katastrophalen Auswirkungen des
Embargos diese reichen Landstriche nicht erwähnt werden.
3.Nach Rechnung der Vereinten Nationen stünden etwa 3 Milliarden US-Dollar für den Ankauf von
Lebensmitteln zur Verfügung, doch das Regime hat nur einen kleinen Teil davon aufgewendet, um
Lebensmittel und Medikamente zu importieren. Den Aufzeichnungen der Vereinten Nationen
zufolge hat das Regime von den 500 Millionen Dollar, die für den Ankauf von Medikamenten
bestimmt sind, nur 80 Millionen Dollar ausgegeben. Das Regime verfolgt damit zwei Ziele, nämlich
erstens bestimmte Gebiete absichtlich nicht mit Medikamenten zu beliefern, und zweitens, diese
Gelder so lange zurückzuhalten, bis das Embargo aufgehoben wird, um sie dann nach eigenem
Gutdünken ausgeben zu können.

Wenn dieses Embargo so unmenschlich ist, daß internationale Organisationen und Institutionen seine
Aufhebung fordern, warum haben diese Organisationen und Institutionen nicht schon längst ein Ende
der Gewalt, der Folter und der Hinrichtungen innerhalb und außerhalb der Gefängnisse und ein Ende
der Unterdrückung gefordert, unter der das Volk seit der Machtübernahme des Regimes im Jahr 1968
bis zum heutigen Tag leidet? (Beispiele für diese Unterdrückung finden sich in allen Berichten des
Sonderberichterstatters der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen).

Abgesehen von den verheerenden Kriegen, in die das Regime sein Volk gestürzt hat, und denen
Hunderttausende Iraker zum Opfer fielen, wurde auch der Wirtschaft des Irak und der Nachbarländer
erheblicher Schaden zugefügt. Darüberhinaus hat das Regime in allen Parteien sowie politischen und
kulturellen Institutionen Säuberungen durchgeführt, ganz zu schweigen von den Verhaftungen, der
Folter und den extralegalen Hinrichtungen, für die es genug Beweise gibt, da das Regime sich nicht
einmal scheut, diese Greueltaten bekannt zu machen.

Im Folgenden seien seien nur einige Beispiele erwähnt:

1.Seit dem Jahr 1980 wurden über 500 000 Iraker unter dem Vorwand, sie seien gegenüber dem
Regime nicht loyal, vertrieben, ihr Besitz beschlagnahmt, und ihnen die Staatsbürgerschaft
entzogen.
2.Der Einsatz von chemischen Waffen gegen die Zivilbevölkerung, so geschehen in der Stadt
Halabscha und während der Niederschlagung des Aufstands im Jahre 1991 in Kerbela und Basra,
sowie in den südirakischen Sumpfgebieten.

3.) Der Versuch, religiöse Institutionen auszuschalten, indem Tausende

Geistliche ermordet und Schulen und Bibliotheken zerstört wurden.

Unter den herausragenden geistlichen Persönlichkeiten, die dem Regime

zum Opfer fielen, waren der islamische Denker Ayatollah Muhammad Baqr

al-Sadr, Sheikh Abdalaziz al-Badri, Nathim al-Aasi, Ayatollah Al-Gharawi und

Ayatollah Al-Baruhradi, sowie über zwanzig Gelehrte der Familie von Hassan

al-Hakim. Der jüngste Fall in diesem Zusammenhang war die Ermordung

des Imams Muhammad Sadiq al-Sadr.

4.) Die Trockenlegung der Sumpfgebiete im Südirak, die zu einer nachhaltigen

Schädigung der Umwelt führte. Zahlreiche seltene Vogel- und Tierarten sind vom Aussterben bedroht
und Hundertausende Einwohner waren durch den Verlust ihrer Lebensgrundlage gezwungen, in andere
Gebiete abzuwandern.

5.) Es wurden drakonische Maßnahmen ergriffen, um die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu
versetzen, wie durch das Abschneiden von Zungen und Ohren oder Brandmarkungen der Stirn. Frauen
werden unter dem Vorwurf der Prostitution geköpft, Familienmitglieder von Oppositionellen vergewaltigt
und dabei auch noch, zum Zwecke der politischen Erpressung, fotografiert. Die Gefängnisse werden
mittels zahlloser Hinrichtungen gesäubert, um Terror zu verbreiten und andererseits der steigenden
Zahl von Gefangenen Herr zu werden.

Alle diese Greueltaten haben dazu geführt, daß über 3 Millionen Iraker geflüchtet sind, um in anderen
Ländern Schutz zu suchen.

Die Tatsache, daß alle diese Vergehen den Vereinten Nationen sowie allen
Menschenrechtsorganisationen bekannt sind und auch kein Ende der Greueltaten abzusehen ist, hat
dazu geführt, daß die Europäische Union Anfang Januar 2001 gefordert hat, Saddam Hussein und seine
Helfershelfer vor ein internationales Kriegsgericht zu stellen.

Die Forderung nach Aufhebung des Embargos beruht zweifellos auf dem aufrichtigen Wunsch, dem
Leid der irakischen Zivilbevölkerung ein Ende zu setzen. Aber selbst wenn diese Forderung realistisch
wäre und größeren Einfluß hätte, so muß man das Problem doch von allen Seiten betrachten, denn den
Preis muß immer das irakische Volk bezahlen.

Wenn nun das Embargo aufgehoben wird, ohne den Verursacher, nämlich das Regime, zu beseitigen,
so wird das Volk nur noch mehr zu leiden haben. Das Volk wird erst aufatmen, wenn das Regime
gestürzt ist und eine demokratische Regierung etabliert wird, die die Menschenrechte achtet und gute
Beziehungen zu den anderen Ländern pflegt.

Safaa Mahmud

Repräsentant des Obersten Rates der Islamischen Resistance im Irak

Büro Wien und Berlin

Wien, am 14. März 2001