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"Aufhebung der Sanktionen nicht an andere Forderungen knüpfen"
Joachim Guilliard, Heidelberg,  2. März 2001
(Antwort auf Hans Branscheidts KRITIK: Zum Aufruf Embargo gegen den Irak beenden)

Lieber Hans Branscheidt,

ich leite Deine Kritik auch an weitere Unterstützer / Unterzeichner des Aufrufes "Embargo gegen den Irak beenden" weiter. Da die Diskussion wichtig ist, werden wir sie mit dieser Antwort auf die Homepage www.embargos.de stellen.

Wenn der von Dir kritisierte längere Text auch von den genannten Erstunterzeichnern für gut befunden und einige Anregungen von ihnen eingegangen sind, so ist es dennoch ein Beitrag, für den im wesentlichen ich verantwortlich zeichne.

Die Basis der Initiative "Embargo gegen den Irak beenden" ist aber der vorgestellte kurze Aufruf. Es soll den einzelnen unterstützenden Gruppen und Personen überlassen bleiben, mit welchen begleitenden Texten, sie diesen Aufruf präsentieren. Dies wird und kann auch je nach eigenem Hintergrund und Zielgruppe sehr unterschiedlich sein. Der von Dir kritisierte Text konzentriert sich zum Beispiel auf völkerrechtliche Aspekte, die viele Menschen in der Frage wahrscheinlich weniger interessieren, aber für eine parlamentarische Debatte beispielsweise wesentlich sind.
Er hat daher auch nicht den Anspruch, alle Aspekte zum Thema Irak abzuhandeln. Das Anliegen dieses Textes ist, klar zu machen, dass unabhängig davon, was man vom irakischen Regime hält, welche Veränderungen man anstrebt etc., das Embargo nicht nur kein geeignetes Mittel ist, sondern selbst ein Verbrechen, unter dem zum Teil genau diejenigen leiden, die man vorgibt, schützen zu wollen.

Der frühere UN-Koordinator für humanitäre Hilfe im Irak, Hans von Sponeck, hat auf einer Diskussionsveranstaltung in Heidelberg am 21. Februar wiederholt auch die anwesenden Vertreter der irakischen Opposition gedrängt, die Frage der Sanktionen von den anderen Fragen - wie Überwindung des Baath-Regimes und Rüstungskontrolle - zu trennen.

Ich weiß, dass sich schnell der Gedanke aufdrängt, man könnte bei einem solchen Aufruf auch noch Vorschläge aufnehmen, wie andere Fragen mitgelöst werden könnten. Zum Beispiel könnte man die Aufhebung der Sanktionen an die Forderung nach erweiterter Autonomie für die Kurden im Norden und / oder Schiiten im Süden oder die Demokratisierung des gesamten Landes ("neuer Irak") etc. knüpfen. In der Konsequenz muss man dann aber auch hier wieder bereit sein, das Leben und Leiden Tausender Unschuldiger zu opfern, bis diese Forderungen um- bzw. durchgesetzt sind.

Ich bin zudem überzeugt, dass es unter einem Embargo keine demokratische Entwicklung geben kann. Ich kenne zahlreiche irakische Oppositionelle, die bedauern, dass ihnen angesichts von Krieg und Embargo die Hände gebunden sind. Dies gilt im Prinzip für all diejenigen, die nicht unter der Obhut der USA agieren wollen und für einen sozial fortschrittlichen und unabhängigen Irak sind.

Auch sog. "intelligente" Sanktionen wären keine Alternative.Jutta Burghardt, die ehemalige Leiterin des Welternährungsprogramms in Bagdad, meinte dieser Tage hierzu: "Die Lösung für die dramatische Situation der irakischen Bevölkerung liegt einzig und allein in der vollen Wiederbelebung der zivilwirtschaftlichen Aktivitäten und nicht in der Fortführung eines Versorgungsprogramms, und sei es auch noch so großzügig ausgelegt. Diese Wiederbelebung wird nur möglich sein, wenn die irakische Regierung über ihre Öleinkünfte selbst verfügen kann." (Auch Jutta Burghardt, die die soziale und wirtschaftliche Situation im gesamten Irak, also auch den kurdischen Autonomiegebieten kennt, unterstützt die Initiative "Embargo gegen den Irak beenden".)

So unbefriedigend es ist, für Verbesserungen der inneren Verhältnisse eines Staates gibt es keine schnellen Lösungen, insbesondere sind sie nicht von Interventionen der USA und ihren Verbündeten zu erwarten. Die irakische Bevölkerung muss aus der internationalen Isolierung befreit werden und wie Hans von Sponeck in einem Interview in dieser Woche sagte: "Ich glaube, man muss die Iraker - parallel zur Lockerung oder zum Aufheben der Sanktionen - sehr stark in Gespräche einbinden, ihnen dadurch versuchen, klar zu machen, dass der friedliche Weg der produktivere ist."

Was mir zum Beispiel praktisch möglich erscheint, ist, dass die Autonomie der drei nördlichen, mehrheitlich von Kurden bewohnten Provinzen des Irak von der UNO garantiert und überwacht wird. Dies muss aber unabhängig vom Embargo verhandelt werden. Hier müssten dann auch die kurdischen Organisationen ihren Betrag leisten, die früher durch ihre bewaffnete Politik und (Kriegs-)bündnisse mit den Gegnern Iraks, insbesondere dem Iran, auch ihren Teil zum Konflikt beitrugen.

Mit den besten Grüßen,

Joachim Guilliard