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Auch „intelligente Sanktionen“ gegen den Irak bleiben dumm

Aladins Wunderlampe leuchtet schwach

Im Wiener Hafen lagern Hilfsgüter für den Irak im Wert von Hunderttausenden Euro. Medizinische Geräte vergammeln an der Donau, während am Euphrat, laut UNICEF, Monat für Monat 5.000 Kinder an der fehlenden medizinischen Versorgung sterben. Zurückgehalten wird die humanitäre Hilfe nur auf Grund des Einspruchs der Vereinigten Staaten. Ein inakzeptabler Vorgang, an dem auch die letztwöchige Einführung „intelligenter Sanktionen“ nicht viel ändern wird.

Bild: „Die Sanktionen sollen den Diktator treffen!“ Der Blick dieser Mutter in einem Krankenhaus im Süden des Iraks sagt alles, was sie von dieser Ansage der internationalen Staatengemeinschaft hält 

Von Wolfgang Machreich
DIE FURCHE, 15.06.02

Eine „gute Sache“, nennt Robin Cook die Einführung „intelligenter Sanktionen“ gegen den Irak. Sein Land habe den Vorschlag dazu gemacht und mit tatkräftiger Unterstützung der Vereinigten Staaten dieser Tage im UNO-Sicherheitsrat durchsetzen können, zeigt sich der frühere britische Außenminister im Gespräch mit der furche stolz und zufrieden darüber, dass das lange und zähe Ringen in seinem Sinne ausgegangen ist.

Cook war im Zusammenhang eines Treffens europäischer Sozialdemokraten Ende letzter Woche für einige Stunden in Wien. Viel von der Stadt hat er beim kurzen Zwischenaufenthalt nicht sehen können. Leider sind seiner Aufmerksamkeit auch drei große Container mit Hilfsgütern für den Irak, die seit Monaten im Wiener Hafen lagern, entgangen. Medizinische Instrumente, Infusionsgeräte, vibrationsfreie Spezialkühlschränke für Blutkonserven, medizinisches Einwegmaterial, dazu Krankenbetten, Matratzen – alles zusammen ein Wert von 370.000 Euro (fünf Millionen Schilling) – vergammeln an der Donau, während am Euphrat jeden Tag Krebskranke wegen dem Mangel an medizinischer Gerätschaft sterben müssen.

Der Grund dafür sind die „dummen Sanktionen“ gegen den Irak. Zu diesem Schluss muss man kommen, denn wozu bräuchte es sonst nach elf Jahren Sanktionspolitik die Einführung von intelligenten Sanktionen. Cook sagt, diese Sanktionen sollen noch mehr als vorher garantieren, dass man die Geldflüsse für die militärische Auf- und Ausrüstung Saddam Husseins austrocknet, das irakische Volk aber mit der nötigen humanitären Hilfe rechnen kann. Ab Juni wird das neue System in Kraft treten, die bisherige Aufstellung von erlaubten Importen durch eine Liste von verbotenen sowie zu überprüfenden Erzeugnissen ersetzen. Ob sich dann die Container vom Wiener Hafen Richtung Irak in Bewegung setzen dürfen, ist damit aber noch lange nicht sicher.

Eva-Maria Hobiger, die Initiatorin des Hilfsprojekts, äußert sich skeptisch. „Augenauswischerei“ nennt sie das Gerede von den intelligenten Sanktionen. Die USA und Großbritannien wollen damit nur dem wachsenden Widerstand gegen das Wirtschaftsembargo entgegentreten, relativiert sie den Nutzen der neuen Regelung. Zugleich solle Baghdad damit die Möglichkeit genommen werden, für soziale Missstände und Versorgungsprobleme weiterhin das Embargo verantwortlich zu machen. Die intelligenten Sanktionen seien aber bloß „Aspirin, anstatt der dringend nötigen Operation“ zitiert die Medizinerin den Economist.

Gezielt beeinsprucht

Der entscheidende Einwand gegen die angebliche Intelligenz der neuen Embargopolitik ist für Hobiger aber das Faktum, dass die praktizierte „Dual-Use“-Regelung weiterhin bestehen bleibt. „Dual Use“ bedeutet: Was auch nur im Entferntesten militärisch genutzt werden könnte, wird mit einem Einfuhrverbot belegt. Im konkreten Fall der Hilfsgüter im Wiener Hafen wurden aus einer langen Liste „gezielt“ alle jene Geräte beeinsprucht, klagt Hobiger, „die das Projekt erst sinnvoll machen“. Der nicht beanstandete Rest – Matratzen, Bettgestelle, Labormöbel – werde zwar gebraucht, entscheidend und vor allem benötigen die Ärzte im Irak aber jene medizinischen Geräte, ohne die eine wirkungsvolle Behandlung von Krebs, Leukämie oder anderer Blutkrankheiten schlichtweg unmöglich ist.

Eva-Maria Hobiger ist Radioonkologin im Krankenhaus Lainz. Eigentlich hatte sie 2002 als ein Sabbatjahr geplant. Aus der Ruhe ist nichts geworden. Anfang Jänner suchte die Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen (GÖAB) um eine Genehmigung der UNO für die Lieferung humanitärer Hilfsgüter in den Südirak an. Seither ist Hobiger, die medizinische Koordinatorin des Projekts, im Clinch mit dem „Office of the Iraq Programme“. Denn obwohl das Engagement unter den Titel „Aladins Wunderlampe – Hilfe für krebskranke Kinder in Basra“ gestellt wurde, zeigten sich bislang nur böse Geister, die das Projekt zu verhindern trachten: Zwei Stunden vor Ablauf der Einspruchsfrist legte das US-State Department als einziges Mitglied des UN-Sicherheitsrates mit der Dual-Use-Begründung ein Veto gegen die Einfuhr sogenannter „gefährlicher“ Hilfsgüter ein. Und das obwohl die UN-Waffeninspektoren keinerlei Gefährlichkeit feststellen konnten.

Die geforderten Informationen wurden sofort nachgereicht, drei Monate Funkstille folgten. „Wochen, Monate“, gibt Hobiger zu Bedenken, „in denen Kinder gestorben sind, weil medizinische Geräte nicht vorhanden waren, die hier in Wien versandbereit stehen.“ Anfang dieses Monats kam die neuerliche Ablehnung aus dem State Department, dieses Mal wurden sogar Dinge beeinsprucht, die man vorher noch akzeptiert hat. „Willkür!“ schimpft Hobiger. Am meisten ärgert sie aber, dass es gerade die USA sind, die heute die Lieferung medizinischer Geräte in den Irak verhindern. Ja selbst medizinische Fachliteratur in die Embargoliste schreiben.

Kriegsfolge Krebs?

Dabei ist insbesondere im Süden des Landes, in der Region um Basra, die Krebsrate seit dem Ende des Irak-Krieges ständig gestiegen. Bei verschiedenen Krebsarten liegt sie heute zwölf mal höher als vor dem Krieg, verweist Hobiger auf einige Studien. Noch konnte kein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesem sprunghaften Anstieg der Krebsfälle und dem US-amerikanischen Einsatz von Munition aus abgereichertem Uran wissenschaftlich exakt nachgewiesen werden. Das sei aber auch schwer möglich, meint die Ärztin, solange Forderungen an die Weltgesundheitsorganisation, sich dieses Themas anzunehmen, von Washington und London beharrlich blockiert werden.

Dabei sind die österreichischen Hilfsgüter, die übrigens durch Spenden des Roten Kreuzes, der Erzdiözese Wien, des Kärntner Landeskrankenhauses, der Vorarlberger Landesregierung aber auch von Firmen und Privatleuten finanziert wurden, ja bei weitem nicht die einzigen Lieferungen, die auf Halde liegen. Laut UNO-Schätzungen werden derzeit humanitäre Güter von fünf Milliarden Dollar (5,5 Milliarden Euro) blockiert. Unter vielem anderen wurde auch die Lieferung von 800 Rettungsautos verweigert, weiß Hobiger, weil diese routinemäßig mit einem Telefon ausgestattet sind.

90 Prozent aller Ablehnungen irakischer Importanträge gehen auf das Konto der USA. Die restlichen zehn Prozent verantworte Großbritannien. Und das obwohl das englische Unterhaus, dem derzeit – und damit schließt sich der Kreis – Robin Cook vorsteht, in einem Bericht über das Embargo gegen den Irak zu dem Schluss gekommen ist: Diese Wirtschaftssanktionen sind die umfassendsten, die je gegen ein Land ausgesprochen wurden. Und man hoffe, dass es nie wieder zu einem solchen Embargo gegen irgendein Land kommen werde.

Diese Hoffnung nützt den 5.000 irakischen Kindern allerdings wenig, die, laut UNICEF, Monat für Monat an Unter- oder Fehlernährung, schlechter Wasserqualität und mangelnder medizinischer Versorgung sterben. Offizielle UN-Angaben geben dem Embargo die direkte Schuld am Tod der unfassbaren Anzahl von 1.650.000 Menschen, meist Kindern und Kranken. Mit den in Wien lagernden Geräten könnte im Bereich der Blutaufbereitung die Region Basra – immerhin zwei Millionen Menschen – abgedeckt werden, rechnet Hobiger vor. 34 Ärzte sind bisher auf Grund von Einladungen der GÖAB zur Aus- und Fortbildung nach Österreich gekommen. Und das – man staune – ohne große Publicity-Aktionen, ohne vorher einem Diktator die Hand schütteln zu müssen! Es gibt somit Ärzte, die die Geräte bedienen können, und es gibt die Geräte. Was fehlt, ist die Erlaubnis beides zum Nutzen der Menschen zusammen zu bringen.

Und solange das nicht passiert, bleibt die Frage, die Eva-Maria Hobiger am Ende des Gesprächs stellt, leider nur eine rhetorische: Wie viele der Kinder, die durch diese Hilfe gerettet werden könnten, würden später zu einer gefährlichen Opposition für den Diktator heranwachsen?

Das Projekt „Aladins Wunderlampe“ unterhält ein Spendenkonto bei der CA Wien:
BLZ 11000 Kto.Nr. 0055-52880/03 „Kinder im Irak“

(mehr zum Projekt)

Aus der österreichischen Wochenzeitung DIE FURCHE: http://www.furche.at/archivneu/archiv2002/fu2102/08.shtml