Wirtschaftssanktionen – eine Alternative zum Krieg?
Anmerkungen zu einer Debatte in der Friedensbewegung

von Joachim Guilliard

Der Botschafter von Bangladesch, Anwarul Karim Chowdhury, wartete im Sommer in einer Schlange auf dem Pariser Flughafen, als er ein ungewöhnliches Schild über dem Einwanderungsschalter sah. Während auf der einen Seite das bekannte Schild "Nur für Passinhaber der EU" hing, fesselte ihn das Schild auf der gegenüberliegenden: "Alle anderen – und Österreich". Hinter ihm stand ein sichtlich verärgerter Österreicher den er "Was denken die, woher wir kommen? Aus der Dritten Welt?" murmeln hörte. (1)

Der Zorn des Österreichers galt den wenig später aufgehobenen Sanktionen gegen Österreich. Für Karim Chowdhury beleuchtete dieser Ausspruch aber einen für ihn sehr wichtigen Aspekt. In der Tat ist das kleine Österreich bisher der einzige westliche Industriestaat, der unter einem Embargo zu leiden hatte, wobei die Maßnahmen milde und von kurzer Dauer waren. Die meisten Sanktionen, die der UN-Sicherheitsrat bisher verhängte, richteten sich gegen Länder der sogenannten Dritten Welt wie Libyen, Irak, Sierra Leone, Afghanistan, Sudan, Haiti und Liberia.

Wirtschaftssanktionen stoßen nicht nur wegen dieser Einseitigkeit weltweit zunehmend auf Ablehnung, sondern auch wegen ihren Auswirkungen auf das Leben und die Gesundheit der jeweils betroffenen Bevölkerung. Dabei hat vor allem die verheerende Situation im Irak die Kritik an dem in den letzten zehn Jahren gehäuft angewandte Interventionsinstrument massiv verschärft.

Natürlich gibt es im Westen sehr einflussreiche Kräfte, die diese Waffe auch weiterhin scharf halten wollen. Aber auch aus der Friedensbewegung gibt es Stimmen, die Wirtschaftssanktionen als "Alternative zu Militärinterventionen" retten möchten. In dem beim VSA-Verlag Hamburg erschienenen, von Ulrich Cremer und Dieter S. Lutz herausgegebenen Sammelband "Die Bundeswehr in der neuen Weltordnung" ist diesem Thema ein ganzer Abschnitt gewidmet.(2) Dort geht Norbert Mappes-Niediek, Redakteur der Wochenzeitung Freitag, in einem oberflächlichen Beitrag locker über die Folgen für die Bevölkerung hinweg. Am Beispiel Jugoslawien versucht er, die Wirkungslosigkeit von Sanktionen aufzuzeigen, und zieht am Ende das zynische Resümee, dass sie "wenigstens potentielle Nachahmer abschrecken" würden. Die Bevölkerung, "die sich ein Unrechtsregime hat gefallen lassen", würde dadurch zwar noch weiter ins "geistige und materielle Elend gestoßen". Dennoch sei dies, "so brutal das klingt: ein Fortschritt". Da Mitherausgeber Ulrich Cremer sich Gedanken macht, wie man Sanktionen effektiver einsetzen könnte, bleibt es Hans von Sponeck, dem ehemaligen UN-Koordinator für die humanitäre Hilfe im Irak, der aus Protest gegen die Sanktionen Anfang 2000 zurückgetreten ist, vorbehalten, Zweifel an der ganzen Logik von Sanktionen zu äußern.

Da unter Wirtschaftssanktionen auch die Anrainerstaaten leiden und diese daher teilweise die angeordneten Embargomaßnahmen aus Eigeninteresse unterlaufen, greift Ulrich Cremer die Idee eines "Sanktionshilfefonds" auf, als "Weg zu effektiven Wirtschaftssanktionen". Aus diesem Fonds sollen die boykottierenden Länder Entschädigungen für ihre wirtschaftlichen Verluste erhalten, falls sie die Blockademaßnahmen vollständig einhalten und auch effektiv überwachen.

Es ist erstaunlich, wie vehement Cremer sich für Sanktionen einsetzt, obwohl er die damit verbundene Problematik durchaus sieht. Neben den negativen Folgen für die Bevölkerung stellt er zu Recht die mangelhafte "Präzision" der Embargobeschlüsse fest, die es erlauben, die Sanktionen mit neuen "Nachforderungen" beliebig zu verlängern. Da sie in der Regel zeitlich unbefristet verhängt werden, ist für ihre Aufhebung ein erneuter Beschluss des Sicherheitsrates notwendig, der durch das Veto eines ständigen Mitglieds auf Dauer verhindert werden kann.

Von den negativen Auswirkungen umfassender "Sanktionen" auf den Irak und auf Jugoslawien aber will sich Cremer in seinen Überlegungen nicht stören lassen: "Geht man vom Grundgedanken aus, dass Embargos eine nichtmilitärische Alternative zu Kriegen sind, erweisen sich beide Fälle als schlechte Beispiele, weil die Sanktionsregimes jeweils im Zusammenhang mit Kriegshandlungen etabliert wurden." Damit macht er es sich doch etwas zu einfach. Selbstverständlich verstärken Kriegszerstörungen die Wirkung eines Embargos erheblich. Man kann aber allgemein sagen, dass Sanktionen um so schlimmere Auswirkungen auf die humanitäre Situation haben, je ärmer ein Land schon vorher ist und je stärker es vom Import essentieller Güter, wie Nahrung und Medikamente, abhängt. Ein trauriges Beispiel hierfür ist Burundi, wo die von einer afrikanischen Staatengruppe verhängten und vom UN-Sicherheitsrat unterstützten Sanktionen eine verheerende Wirkung auf die ohnehin schon bettelarme Bevölkerung haben.

Wenn Irak auch ein extremes Beispiel ist, so zeigt es doch mit größter Deutlichkeit die prinzipiellen Probleme umfassender Blockaden. Und umfassend müssen sie sein, sollen sie eine schnelle und unmittelbare Wirkung entfalten, zum Beispiel um einer aktuellen Bedrohung von Minderheiten zu begegnen. Das ist ja der an sich verständliche Wunsch, den Menschenrechts- und Friedensgruppen mit internationalen Sanktionen verbinden. Sogenannte "intelligente Sanktionen", die nur Maßnahmen enthalten, die sich wie Rüstungsstopp, Reisebeschränkungen, Einfrieren von Auslandskonten etc. direkt gegen die Führung des betreffenden Staates richten, sind dafür auch nach Uli Cremers Meinung nicht geeignet. Sobald aber Embargomaßnahmen einigermaßen umfassend sind, ist die Gesamtbevölkerung unmittelbar und massiv betroffen, besonders natürlich die Schwächsten einer Gesellschaft.

Diesen unerwünschten humanitären Folgen effektiver Wirtschaftssanktionen will Uli Cremer "konstruktiv begegnen": "Die internationale Staatengemeinschaft sollte einen Sanktionskodex erarbeiteten, der Embargos humanisieren hilft. Lebensmittellieferungen und medizinische Hilfe müssen von der UNO bereit gestellt, Hilfsorganisationen mit der Logistik betraut werden." Was dieser Sanktionskodex beinhalten und wer dabei die "internationale Staatengemeinschaft" sein soll, die ihn aufstellen und vor allem kontrollieren könnte, lässt er offen. Sicher aber ist, dass sein Vorschlag keine Lösung des Problems bringen kann. Gerade das Beispiel des Irak zeigt, dass Krankheiten und Not nicht allein durch Mangel an Nahrungsmittel und Medikamenten verursacht werden, sondern auch durch den Ausfall der Infrastruktur in Bereichen wie Wasser- und Energieversorgung, Transportwesen und Kommunikation aufgrund fehlender Ersatzteile, Chemikalien usw.. (3)

Zudem dürfen auch die verheerenden Auswirkungen auf Wohnen, Bildungssystem, Beschäftigung usw. nicht einfach ignoriert werden. Die Alimentierung von außen über Hilfsorganisationen würde zudem den betroffenen Staat eines Teils seiner Souveränität berauben, was dieser, schon angesichts des Konflikts, in dem er sich mit den Embargobetreiber befindet, nicht akzeptieren kann.

Angesichts der vielen offensichtlichen humanitären Probleme im Zusammenhang mit Wirtschaftssanktionen haben mehrere UNO-Kommissionen die seit Jahren von Völkerrechtlern vorgebrachten Argumente aufgegriffen und ganz allgemein schwere menschen- und völkerrechtliche Bedenken gegen umfassende Wirtschaftssanktionen vorgebracht, die der Hohe Kommissar für Menschenrechte im September in einer Abhandlung zusammenfasste.(4) Dabei stellt er unter anderem fest, dass

Bereits in ihrer Resolution vom 4. März 1994 hatte die UNO-Menschenrechtskommission eine recht präzise Stellungnahme zur Problematik von Sanktionen abgegeben. Da wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen die volle Verwirklichung aller Menschenrechte unmöglich machen, fordert die Resolution unter Hinweis auf die Allgemeine Menschenrechtserklärung alle Staaten auf, derartige Praktiken zu unterlassen. Sie verweist auf "das Recht eines jeden auf einen für Gesundheit und Wohlergehen ausreichenden Lebensstandard, der Nahrung, medizinische Versorgung, Unterkunft und notwendige soziale Dienstleistungen beinhaltet", führt explizit Handelsbeschränkungen, Blockaden, Embargos, das Einfrieren von Guthaben als menschenrechtswidrige Zwangsmaßnahmen an und stellt schließlich ausdrücklich fest, dass essentielle Güter wie Lebensmittel und Medizin nicht als politisches Druckmittel verwendet werden sollen.

Die in dieser Resolution beschriebenen Umstände treffen offensichtlich – von der Sache her – gerade auf die zur Debatte stehenden multilateralen Sanktionen zu. Um den realen Machtverhältnissen Rechnung zu tragen, hat die Kommission jedoch ihre Resolution – formal – ausdrücklich auf unilaterale Zwangsmaßnahmen bezogen. Da die menschenrechtlichen Auswirkungen bei multilateralen Sanktionen wesentlich gravierender sind (weil diese naturgemäß besser "greifen"), zeigt dies einmal mehr den Widerspruch zwischen humanitärem Anspruch von UNO-Gremien und machtpolitischer Praxis, die auf Menschenrechte keine Rücksicht nimmt.(6)

Im August 2000 nahm der Unterausschuss der UN-Menschenrechtskommission eine neue Resolution zu den "Menschenrechts- und humanitären Konsequenzen von Sanktionen" an. Sie fordert unter anderem den UNO-Sicherheitsrat als ersten Schritt zur Beachtung des humanitären Völkerrechts auf, "die Auswirkungen von Sanktionen auf die Zivilbevölkerung zu eliminieren, durch die Erlaubnis zum Import ziviler Güter, insbesondere zur Sicherung der Nahrungs-, medizinischen und pharmazeutischen Versorgung und anderer Produkte, die wesentlich für die Gesundheit der Bevölkerung in jeglicher Hinsicht sind". Eingeflossen ist dabei auch das Gutachten des belgischen Professors und Mitglieds des Unterausschusses der Kommission, Marc Bossuyt.

"Die ‚Theorie‘ hinter Wirtschaftssanktionen ist, dass ökonomischer Druck auf die Zivilbevölkerung sich in Druck auf die Regierung verwandeln wird, ihre Politik zu ändern. Diese Theorie ist sowohl rechtlich wie praktisch bankrott", stellt Bossuyt in seinem 40-seitigen Papier fest.(7)

Da grundlegende Menschenrechte, in völkerrechtlich verbindlichen Konventionen festgeschrieben, durch Sicherheitsratsbeschlüsse nicht außer Kraft gesetzt werden können, sind beispielsweise die Sanktionen gegen Irak nach Bossuyts Ansicht rechtswidrig und ähneln mittelalterlichen Belagerungen. "Das Sanktionsregime gegen Irak ist eindeutig illegal unter dem geltenden internationalen Menschenrecht und den humanitären Gesetzen. Einige würden sogar so weit gehen, den Vorwurf des Völkermordes zu erheben." (8)

Und weiter: "Das Sanktionsregime gegen Irak hat als klares, Ziel dem irakischen Volk Lebensbedingungen aufzuerlegen, ... die auf seine ganze oder teilweise physische Vernichtung ausgerichtet sind. Es tut nichts zur Sache, dass diese absichtliche physische Vernichtung angeblich die Sicherheit in der Region zum Ziel haben soll. Sobald der klare Beweis erbracht worden war, dass Tausende von Zivilisten gestorben sind und Hunderttausende in Zukunft sterben würden, wenn der Sicherheitsrat die Sanktionen fortsetzt, waren die Toten kein unbeabsichtigter Nebeneffekt mehr – der Sicherheitsrat war nunmehr verantwortlich für alle bekannten Konsequenzen seiner Aktivitäten. ... Tatsächlich gab die UN-Botschafterin der USA (Albright) dies auch zu; als sie gefragt wurde, ob die Sanktionen den Preis der halben Million Toten ‚wert‘ seien, erwiderte sie: ‚Wir meinen, dass sie den Preis wert sind‘. Die Staaten, die für die Sanktionen verantwortlich sind, müssen sich möglicherweise Fragen in Bezug auf die Völkermordkonvention stellen lassen" (9)

Andere wie Noam Chomsky, Ramsey Clark oder die Politikwissenschaftler John und Karl Mueller in der Zeitschrift Foreign Affairs (10) gehen in ihrem Urteil noch weiter. Für sie sind Sanktionen (potentielle) Massenvernichtungswaffen. Massenvernichtungswaffen, die vor allem deshalb gefährlich sind, weil sie auf unspektakuläre Weise töten und die Hemmschwelle für ihre Anwendung weit geringer ist – weil sie häufig, wie auch von Ulrich Cremer, als "gewaltfreie Alternative" zum militärischen Eingreifen, dem Krieg, gesehen werden.

Neben den menschenrechtlichen Einwänden gibt es auch machtpolitische zu diskutieren. Wie schon erwähnt, zielen Sanktionen, wie sie Uli Cremer vorschweben, im wesentlichen auf Länder des Südens und des Osten. Es ist kaum vorstellbar, dass Länder wie Frankreich, Italien oder Deutschland davon betroffen sein werden, von den USA ganz zu schweigen, obwohl diese Länder beispielsweise im März 1999 ganz offensichtlich den Frieden gebrochen haben und ihre Hochrüstung und aggressive Militärstrategie wohl die derzeit größte Bedrohung des Weltfriedens darstellt. Die bisherige Praxis zeigt, dass auch wichtige Verbündete der westlichen Staaten vor umfassenden Sanktionen sicher sind. Dabei bedürfte es zum Beispiel im Falle der Türkei oder Israels gar keiner Blockademaßnahmen. Hier würde es reichen, die politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung einzustellen.

Internationale Sanktionen werden unter den gegebenen weltweiten Machtverhältnissen ein Interventionsinstrument der westlichen Staaten bleiben. Neben dem Umstand, dass eine solche Praxis mit einem internationalen Rechtssystem nicht vereinbar ist, stellt sich die Frage, woher der ungebrochene Glaube kommt, Interventionen westeuropäischer Staaten und der USA könnten irgendwo Probleme lösen.

Ich kann den Wunsch durchaus verstehen, bedrohten Menschen möglichst unmittelbar "zu Hilfe zu eilen". Warum sollten aber hinter humanitären Interventionen des Westens mittels "Belagerung" andere Zielsetzungen und Propagandamechanismen stehen als hinter dem Jugoslawienkrieg?

Während die jüngste NATO-Aggression in dieser Hinsicht von der Friedensbewegung ganz gut aufgearbeitet worden ist, steht dies in Bezug auf die früheren westlichen Interventionen im ehemaligen Jugoslawien noch aus. Wie sonst könnte Ulrich Cremer sich heute noch positiv auf die ersten Sanktionsmaßnahmen gegen Jugoslawien beziehen? Diese Sanktionen waren Teil einer Intervention, die ein Paradebeispiel dafür ist, wie durch einseitige Parteinahme ein Konflikt angeheizt und verlängert werden kann (11) und wie eine effektive Propaganda dafür auch noch die Unterstützung von Hilfsorganisationen, Menschenrechts- und Friedensgruppen gewinnen konnte.

Hans von Sponeck glaubt nicht mehr daran, dass mit Sanktionen vernünftige Politik gemacht werden kann. Auch seiner Meinung nach haben wirksame Sanktionen stets inakzeptable Auswirkungen auf die Bevölkerung. "Sanktionen sehen oft nur auf den ersten Blick aus wie eine 'humanere' und kosteneffizientere Alternative zum Krieg. Die ultimativen Folgen für die Bevölkerung sind aber oft genauso schlimm wie bei einem Krieg." Mildert man sie ab, sind sie kaum noch geeignet, eine Regierung zum gewünschten Verhalten zu zwingen.

Ob seine Vermutung zutrifft, dass Sanktionen "vielleicht vom internationalen und humanitären Recht her für eine beschränkte Zeit vertretbar sind", sei dahin gestellt. Wichtiger ist, dass er als diplomatischer Praktiker vorschlägt, sich von der Vorstellung einer direkten Beeinflussung oder Kontrolle anderer Staaten zu verabschieden. "Wir müssen uns einfach daran gewöhnen, dass wir nicht in einer Kolonialsituation leben, dass die Länder unabhängig geworden sind. ... Und wir müssen viel stärker auf Einbindung drängen, zum Beispiel in Instrumente wie die UNO-Charta oder die Universaldeklaration für Menschenrechte."

Er schlägt vor, wieder mehr an die Ursachen von Krisenentwicklungen zu gehen und auch die Probleme der betroffenen Staaten, wie des Irak, ernst zu nehmen. "Ich glaube, man muss die Iraker – parallel zur Lockerung oder zum Aufheben der Sanktionen – sehr stark in Gespräche einbinden, ihnen dadurch versuchen klar zu machen, dass der friedliche Weg der produktivere ist. Ein Weg, der den Menschen im Irak zugute kommt und auf diese Weise dann auch das Problem mit löst."

Wenn auch er die Ziele hinter der bisherigen Sanktionspolitik nicht in Zweifel zieht und wohl nicht sieht, dass es im Falle des Iraks wahrscheinlich ohne Krieg und totales Embargo möglich gewesen wäre, den Irak zum Rückzug aus Kuwait zu bewegen, wenn man – wie von Sponeck ja nun vorschlägt – auf seine vorgebrachten Probleme eingegangen wäre, so sind seine sachlichen Anregungen vielleicht geeignet, den ungestümen Willen zur Intervention vieler wohlmeinender Menschen zu zügeln.

Umfassende Sanktionen sind (potentielle) Massenvernichtungswaffen und keine "gewaltfreie" Alternative zum Krieg. Die Friedensbewegung kann nicht ernsthaft solche Methoden der Kriegführung den klassischen vorziehen, nur weil sie nicht mit Pulverdampf und Kanonendonner verbunden sind. Friedensbewegung und Menschenrechtsgruppen wären gut beraten, sich zunächst Abhandlungen wie die Marc Bossuyts oder des Innsbrucker Professors Hans Köchler anzuschauen und sich Hans von Sponecks Äußerungen zu Herzen nehmen, bevor weiter über Sanktionen als zivile Alternative diskutiert wird. Offensichtlich sind manche Berufsdiplomaten und Völkerrechtler dem eigentlichen Grundsatz der Friedensbewegung, gewaltfreie Lösungsansätze zu verfolgen, näher als viele ihrer Vordenker.

Nicht wenige Konflikte entstanden und entstehen durch direkte oder indirekte Einmischung der westlichen Staaten. Häufig verletzen sie selbst oder ihre Verbündeten Völker- und Menschenrechte und bedrohen oder brechen den Frieden. Genug Arbeit also für alle, die sich für das Wohl anderer Menschen und den Frieden einsetzen wollen. Bei einem gewissen Erfolg dabei werden wahrscheinlich auch die Konflikte leichter zu lösen sein, die Befürworter von Sanktionen in der Friedensbewegung im Auge haben.

Notes

* Der Beitrag erschien in der Zweimonatszeitschrift Marxistische Blätter 01/2001 und leicht gekürzt am 29.11.2000 in der Tageszeitung junge Welt

  1. Thalif Deen, InterPressService vom 9.10.2000
  2. Ulrich Cremer, Dieter S. Lutz: Die Bundeswehr in der neuen Weltordnung. Hamburg 2000
  3. Ein Sanktionsregime müsste daher, wie es im Irak auch geschieht, bei allen Gütern die Entscheidung treffen, ob sie zur Lebensmittel- und medizinischen Versorgung notwendig sind oder nicht. Die Erfahrung im Irak mit dem "Oil for food"-Programm, das ja den Import von Nahrungsmittel und medizinischem Material ermöglichen soll, zeigt, dass auch dadurch Einzelstaaten die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern massiv behindern können.
  4. "The Human Rights Impact of Economic Sanctions on Iraq", Background Paper prepared by the Office of the High Commissioner for Human Rights for the meeting of the Executive Committee on Humanitarian Affairs. 5 September 2000
  5. ... durch: Unterbrechung der Versorgung mit Nahrung, Medikamenten, Hygienemittel und Beeinträchtigung der Nahrungsqualität und des Zugangs zu sauberem Trinkwasser, des Basisgesundheitssystems und des Bildungswesen sowie Wegfalls von Arbeitsplätzen und anderer Verdienstmöglichkeiten.
  6. Hans Köchler, Ethische Aspekte der Sanktionen im Völkerrecht. Wien 1994, hier S. 32
  7. Marc Bossuyt: The adverse consequences of economic sanctions on the enjoyment of human rights. UN Menschenrechtskommission, Dokument E/CN.4/Sub.2/2000/33, Abs. 48
  8. Bossuyt erwähnt die Völkermordkonvention, in der Völkermord definiert wird u. a. als Taten, die in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten durch das Töten von Angehörigen der Gruppe oder das Zufügen schwerer körperlicher oder psychischer Schäden oder der absichtlichen Auferlegung von Lebensbedingungen, die zu ihrer teilweisen oder kompletten physischen Zerstörung führen (Bossuyt a.a.O., Abs. 71)
  9. ebd. Abs. 72
  10. "Sanctions of Mass Destruction" by John Mueller and Karl Mueller, Foreign Affairs, 78 (May/June 1999), pp. 43-53. Die beiden namhaften US-amerikanischen Politikwissenschaftler Prof. John und Karl Mueller stellen fest, dass die Wirtschaftssanktionen gegen den Irak, die sie die wahren "Massenvernichtungswaffen" nennen, wesentlich tödlicher waren, als alle bisher weltweit eingesetzten nuklearen, chemischen und biologischen Waffen zusammen.
  11. Siehe dazu die Untersuchung von Rüdiger Göbel "Die Dynamik westlicher Interventionspolitik im Jugoslawienkonflikt – Friedenskonferenz, Teilungsplan, Militärintervention", in: Karam Khella (Hg.): Der Fall Jugoslawien. Theorie und Praxis Verlag, Hamburg 1997.